Solarer Mieterstrom wird kommen

Solarstrom für Mietshäuser kann ein wich­ti­ger Baustein der Energiewende wer­den, aber der Ausbau kommt bis­lang nur schlep­pend voran. Die jüngst dis­ku­tier­ten Vergütungskürzungen für Mieterstromprojekte wur­den letzt­lich ver­hin­dert, haben aber Unsicherheit ob der poli­ti­schen Ziele gebracht. Denn eigent­lich ste­hen die Zeichen gut: Die steu­er­li­chen Hemmnisse wer­den für Genossenschaften besei­tigt – und mit dem Gebäudeenergiegesetz erge­ben sich neue Chancen für eine gerech­te Energiewende. 

Solarenergie war lange nur etwas für Eigenheimbesitzer im länd­li­chen Raum.Das soll­te mit dem Mieterstromgesetz Mitte 2017 geän­dert wer­den. Die Bundesregierung woll­te damit den Ausbau von Photovoltaik auf Mietshäusern ankur­beln und die Energiewende in die Städte brin­gen. Und end­lich auch die 50% der Bevölkerung in Deutschland, die zur Miete woh­nen, direkt an der Energiewende teil­ha­ben las­sen. Die Idee: Immobilienbesitzer bauen Solaranlagen auf ihre Dächer, ver­kau­fen den Strom an ihre Mieter und erhal­ten dafür eine klei­ne Förderung, den Mieterstromzuschlag. Um sicher­zu­stel­len, dass auch die Mieter dabei spa­ren, muss der Strom vom Dach min­des­tens 10% güns­ti­ger sein als der ört­li­che Grundversorgungstarif. Damit pro­fi­tie­ren alle, die Hausbesitzer genau­so wie die Mieter, und die Energiewende kommt einen gro­ßen Schritt vor­wärts. Soweit die Theorie.

Die Frage lau­tet: Funktioniert sie auch? Etwas mehr als ein Jahr, nach­dem das Gesetz in Kraft getre­ten ist, kann man fest­hal­ten: ja – und das gar nicht ein­mal so schlecht. Auch wenn es sehr viel lang­sa­mer anläuft als erhofft und es noch viele Dinge gibt, die zu tun sind, um das volle Potential von Solarstrom auf Mietshäusern nutz­bar zu machen.

Bislang wurden nicht einmal 300 Mieterstromprojekte realisiert

Derzeit ver­läuft der Zubau von sola­ren Mieterstromprojekten nur sehr schlep­pend. Seit Mitte 2017 wur­den weni­ger als 300 Projekte mit ledig­lich 7 MW rea­li­siert – bun­des­weit. Im Gesetz wurde damals vor­sorg­lich ein Deckel für den Mieterstromzuschlag von 500 MW pro Jahr ein­ge­führt, was im Rückblick aus heu­ti­ger Sicht uto­pisch wirkt.

Gründe für den lang­sa­men Ausbau gibt es viele. Zum einen ste­hen oft prak­ti­sche Hürden im Weg, etwa der Zustand der Hauselektrik und des Daches. Beide zu ertüch­ti­gen kann teuer wer­den, und in Kombination mit den Zusatzinvestitionen von meh­re­ren Tausend Euro für Messtechnik, Stromzähler und Anschlüsse bedeu­ten diese Kosten für viele Projekte das Aus. Sind diese Hürden genom­men, hängt die Umsetzung stark von dem zustän­di­gen Verteilnetzbetreiber ab. Im Berliner Süden bei­spiels­wei­se gibt es ein Mieterstromprojekt, bei dem die Solaranlage seit Juli fer­tig instal­liert und betriebs­be­reit ist, der neue Hausanschluss für das Mieterstrommodell aber im Dezember immer noch nicht bereit­ge­stellt wurde.

Die Angst vor der Steuer

Für Vermieter kommt eine ent­schei­den­de Hürde aller­dings oft schon viel frü­her, noch vor der prak­ti­schen Umsetzung. Es sind Steuerfragen. Professionelle Vermieter win­ken bei der Idee einer Solaranlage oft rasch ab – aus Angst, Steuervorteile zu verlieren.

Größere Immobilienfirmen pro­fi­tie­ren häu­fig von der sog. erwei­ter­ten Gewerbesteuerkürzung, Wohnungsbaugenossenschaften von der Körperschaftssteuerbefreiung. Bereits gerin­ge Einnahmen aus dem Verkauf von Sonnenstrom kön­nen diese Vorteile gefähr­den und das ganze Unternehmen “infi­zie­ren”. Zu Recht fürch­ten also viele Immobilienbesitzer große steu­er­li­che Nachteile, wenn sie sich auf “frem­des Terrain” außer­halb ihres Kerngeschäftes wagen.

Für Genossenschaften und viele Immobilienunternehmen gibt es bis­lang nur eine siche­re Lösung: sie ver­pach­ten ihr Dach an einen Dritten, der dann das Mieterstromprojekt umsetzt. Da Solaranlagen aber über min­des­tens 20 Jahre abge­schrie­ben wer­den, erfor­dert so ein Modell eine sehr lang­fris­ti­ge Bindung an den Pächter des Daches, sowie eine Eintragung ins Grundbuch. Bislang hält das viele Immobilienbesitzer von der Umsetzung von Mieterstromprojekten ab.

Für ver­mö­gens­ver­wal­ten­de Gesellschaften sind zwar schon heute rechts­si­che­re Modelle mög­lich und erprobt, bei denen der Immobilienbesitzer auch Eigentümer der Solaranlage wird. Allerdings erfor­dert es in der Realität einen gewis­sen Idealismus des Immobilienbesitzers – vor allem um die “Urangst” vor nega­ti­ven steu­er­li­chen Konsequenzen zu überwinden.

Die Immobilienwirtschaft braucht klare Signale – keine Diskussion über Kürzungen

Eine wei­te­re Bremse für den Mietstrom sind der­zeit die Diskussionen über das jüngst beschlos­se­ne Energiesammelgesetz, die für Verunsicherung in der Immobilienbranche sor­gen. In Folge des Gesetzes wer­den die Vergütungssätze für große Solaranlagen bis 750 kW bis April 2019 schnel­ler als vor­her­ge­se­hen gekürzt, und zwar um 11%. Dies ist eine ange­mes­se­ne Reaktion der Politik auf den star­ken Preisverfall bei Solaranlagen in die­ser Größenordnung. Was Immobilienbesitzern aller­dings oft nicht klar ist: Der Mieterstromzuschlag ist von den Änderungen nicht betrof­fen. Im end­gül­tig beschlos­se­nen Gesetzestext gibt es eine Regelung, die die Kürzung des Mieterstromzuschlags in den meis­ten Fällen ver­hin­dert. Dennoch ist in der Branche Unsicherheit ent­stan­den, ob die Politik sich nach 18 Monaten schon wie­der von der Idee des Mieterstroms ver­ab­schie­den will.

Die steuerlichen Barrieren werden beseitigt – aber keiner hats bemerkt

Tatsächlich wer­den Mieterstromanlagen poli­tisch sogar noch wei­ter geför­dert. Im Bundestag wurde am 29. November das “Gesetz zur steu­er­li­chen Förderung des Mietwohnungsneubaus” ver­ab­schie­det. Darin ent­hal­ten ist die sog. “Mieterstrombegünstigung in § 5 Absatz 1 Nummer 10 KStG”, die den Freibetrag für „sons­ti­ge Einnahmen“ für Genossenschaften von 10 auf 20 Prozent erhöht – und zwar nur dann, wenn die zusätz­li­chen Einnahmen aus Mieterstromprojekten kom­men. Sobald der Bundesrat dem Gesetz zuge­stimmt hat, kön­nen Wohnungsbaugenossenschaften also nicht mehr nur ihre Dächer ver­pach­ten, son­dern auch selbst in die Solaranlagen inves­tie­ren und, wenn sie möch­ten, sogar den gesam­ten Stromverkauf an die Mieter über­neh­men. Damit wer­den Genossenschaften end­lich zu akti­ven Treibern der Energiewende und brin­gen die Energiewende ohne Umwege zu den Mietern.

Weitere Weichenstellungen sind erforderlich – die nächste im Gebäudeenergiegesetz 

Sofern der poli­ti­sche Wille Bestand hat, das viel­fach zitier­te “zarte Pflänzchen” Mieterstrom nicht tot­zu­tram­peln, son­dern zu einem star­ken Baum her­an­zu­züch­ten, gibt es dafür viel­fäl­ti­ge Möglichkeiten. Mit dem aktu­el­len Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes liegt eine sehr bedeut­sa­me auf dem Tisch. Durch ein­fa­che Anpassungen kann hier erreicht wer­den, dass ab 2021 jedes neue Wohngebäude mit einer Solaranlage aus­ge­stat­tet wird. Wobei dies selbst­ver­ständ­lich nicht dazu füh­ren darf, dass die Installation einer Solaranlage sinn­vol­le Effizienzmaßnahmen ver­hin­dert und letzt­lich eine Ölheizung im Keller ermög­licht. Darüber hin­aus gibt es eine Vielzahl an sinn­vol­len Ansatzpunkten, vom Ersetzen des phy­si­ka­li­schen durch ein rein digi­ta­les Summenzählermodell über Detailbestimmungen zur Anlagenzusammenfassung im EEG, expli­zi­te Förderung für Quartiersansätze, zeit­li­che Fristen für die Verteilnetzbetreiber, bis hin zu dem dicks­ten Brett wel­ches es zu boh­ren gilt: der Gewerbesteuerinfizierung durch Solaranlagen. Das Wichtigste aber ist eine klare und unbe­strit­te­ne Positionierung der Politik: Wir wol­len eine Energiewende auch in den Städten und für die Mieter.

Der Zuwachs an Mieterstromprojekten wird 2019 stark zule­gen. Aber um den Mieterstrom zu einer tra­gen­den Säule der Energiewende zu machen braucht es wei­te­re Weichenstellungen der Politik. Über den Dächern ist noch viel Luft nach oben.