Eigenversorgung von Quartieren mit PV

Im Interview mit Burkhard Drescher, Geschäftsführer der Innovation City Management GmbH (ICM)

Die Sonne lie­fert genug Energie, um das gesam­te Ruhrgebiet mit Strom zu ver­sor­gen. Ganze Quartiere könn­ten ihren Strombedarf mit Photovoltaikanlagen decken und die glei­che Strommenge auch abge­ben. Das sind die span­nends­ten Ergebnisse des InnovationCity roll-out, ein gro­ßes Infrastrukturprojekt für Energieeffizienz in Quartieren.

Wir haben mit Burkhard Drescher, Geschäftsführer der Innovation City Management GmbH (ICM), über die Eigenversorgung von Quartieren gesprochen.

Was steckt hinter dem Klimaschutzprojekt „InnovationCity roll out“ und der dazugehörigen Studie? GF_ICM_Burkhard_DrescherBurkhard Drescher, Geschäftsführer der Innovation City Management GmbH (ICM)

Drescher: Der InnovationCity roll out war von 2016 bis 2019 eines der größ­ten Infrastrukturprojekte im Ruhrgebiet. In die­ser Zeit wur­den gestaf­felt 20 Stadtquartiere in 17 Städten im Ruhrgebiet unter­sucht und inte­grier­te ener­ge­ti­sche Quartierskonzepte erstellt. Auf ins­ge­samt über 5.000 Seiten füh­ren wir aus, wie sich sowohl indus­tri­ell als auch länd­lich gepräg­te Quartiere zu Musterbeispielen für Energieeffizienz wan­deln kön­nen. Alle 20 Quartiere sto­ßen momen­tan knapp eine Million Tonnen CO₂ aus. Würden alle von uns vor­ge­schla­ge­nen Maßnahmen inner­halb von fünf Jahren umge­setzt, könn­ten die Kommunen über 300.000 Tonnen CO₂ ein­spa­ren. Das ist eine Menge, die ein Wald in der Größe der Stadt Dortmund im Jahr aufnimmt.

Was erstaun­lich ist: Bereits durch klei­ne­re ener­ge­ti­sche Modernisierungsmaßnahmen ließe sich viel Wärmeenergie in Wohnhäusern ein­spa­ren. Durch den Austausch von Fenstern etwa oder durch die Dämmung der obers­ten Geschossdecke über 575.000 Megawattstunden im Jahr. Das heißt, dass der Energiebedarf theo­re­tisch um 45 Prozent redu­ziert wer­den könnte.

Unsere Ergebnisse aus dem InnovationCity roll out exis­tie­ren übri­gens nicht nur auf dem Papier: Einige Städte wie zum Beispiel Herne und oder Gladbeck haben mit der Umsetzung ihres Quartierskonzeptes bereits begon­nen und ein Beratungsangebot für Hauseigentümer zur ener­ge­ti­schen Modernisierung von Immobilien auf­ge­baut. Andere Städte berei­ten das soge­nann­te Sanierungsmanagement für ihre Quartiere vor und stel­len bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau Förderanträge. Es geht also voran bei uns im Ruhrgebiet.

Quartiere können, laut der Studie, ihren Strombedarf mit Solarenergie untereinander selbst abdecken und sogar noch Strom abgeben. Welche Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein?

Drescher: Wir haben in unse­ren Analysen tat­säch­lich her­aus­ge­fun­den, dass die Quartiere ihren Strombedarf unter­ein­an­der mit der Erzeugung und Nutzung von Sonnenenergie nicht nur kom­plett abde­cken, son­dern die glei­che Strommenge sogar noch abge­ben könn­ten. Da die aus­ge­wähl­ten Quartiere exem­pla­risch für die Region ste­hen, heißt das, dass sich das ganze Ruhrgebiet theo­re­tisch selbst mit Strom ver­sor­gen könn­te – ohne Braun- oder Steinkohle.

Diese Erkenntnis muss in den Kommunen ankom­men. Prinzipiell ist es näm­lich ein Leichtes, die Menschen für Photovoltaik zu begeis­tern. Dazu braucht es zum einen Information und Beratung, zum ande­ren einen klei­nen Impuls oder Anreiz. In Bottrop haben wir in die­sem Jahr zusam­men mit der Stadt eine Solaroffensive aus­ge­ru­fen. Sie glau­ben gar nicht, wie groß der Run auf das Thema und den Fördertopf war. Fakt ist, dass dadurch 49 neue Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 440 Kilowatt Peak (kWp) ent­ste­hen. Ein wich­ti­ger Beitrag zum Klimaschutz in der InnovationCity Ruhr | Modellstadt Bottrop. Obwohl wir in Sachen Solarenergie sowie­so schon spit­ze sind: Bottrop hat bezo­gen auf die Einwohnerzahl die höchs­te instal­lier­te Photovoltaik-Leistung unter den kreis­frei­en Städten im Regionalverband Ruhr.

Welche Bedeutung hat solarer Mieterstrom für dieses energetische Konzept?

Im InnovationCity roll out haben wir die Möglichkeiten zur Nutzung von Photovoltaik ana­ly­siert und dabei enor­me Potenziale erkannt. Dabei muss man zwi­schen Einzeleigentümern und der Wohnungswirtschaft unter­schei­den. Privatpersonen kön­nen noch ver­hält­nis­mä­ßig ein­fach eine PV-Anlage betrei­ben. Bei Wohnungsgesellschaften, die zum Teil sehr große Dach- und Fassadenflächen für Photovoltaik haben, ist die Sache schon schwie­ri­ger, da die admi­nis­tra­ti­ven Hürden schlicht zu hoch und unat­trak­tiv sind. Wir haben mit den Stadtwerken in Dortmund und in Oberhausen Konzepte zu Mieterstrom-Modellen ent­wi­ckelt, aber auch hier gibt es regu­la­to­ri­sche Schwierigkeiten. Ich sage mal so: Im Grunde gibt es genug Sonnenenergie, um das Ruhrgebiet mit Strom zu ver­sor­gen. Die Bundesregierung muss nur eine ent­spre­chen­de Nutzung der Potenziale ein­fa­cher, attrak­ti­ver und näher an der Realität gestalten.

Was sind die Hindernisse, die einer Umsetzung der Stromversorgung von Quartieren mit solarem Mieterstrom im Weg stehen?

Drescher: Ich sehe da drei Haupthindernisse. Erstens: Wer eine Photovoltaik-Anlage betreibt, kommt in den Status eines Unternehmers – mit allen steu­er­recht­li­chen Konsequenzen und Komplexitäten. Für die Menschen bedeu­tet das Aufwand, sie müs­sen sich mit Dingen wie Umsatzsteuer oder Vorsteuerabzug beschäf­ti­gen. Zweitens: Es ist nicht mög­lich, Strom über Liegenschaftsgrenzen hin­aus zu ver­tei­len, woran eine Vernetzung in der Nachbarschaft schei­tert. Und drit­tens: Mieterstrom aus Photovoltaik ver­än­dert bei Wohnungsgesellschaften die steu­er­li­che Einordnung – aller­dings zum Nachteil. Durch das Geschäft mit einer ein­zi­gen Anlage wür­den sie das Gewerbesteuerprivileg für das gesam­te Unternehmen ver­lie­ren. Das sind für mich Hammerschläge, die eine posi­ti­ve Entwicklung behindern.

Wie sieht die Energieversorgung von Gebäuden in 20 Jahren aus?

Drescher: Wenn der Gesetzgeber unse­ren Vorschlägen fol­gen würde, könn­te die kom­plet­te Energieversorgung von Gebäuden aus Strom geleis­tet wer­den, der aus rege­ne­ra­ti­ven Energien gewon­nen wird. Nach der Lektüre des Klimapakets fürch­te ich jedoch, dass die Politik keine schöp­fe­ri­sche Kraft hat.

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Erfahrender Energieblogger mit hohem Interesse, die Energiewende mit inno­va­ti­ven Technologien und Geschäftsmodellen vor­an­zu­brin­gen. Experte für Gebäudeenergie mit dem Hintergrund als Dipl.-Ing.(FH) Bauphysik.

Andreas KühlEhemaliger Content-Creator bei SOLARIMOEnergynet-Portal für Energieeffizienz und erneu­er­ba­re Energien

Zuletzt bear­bei­tet: 12.11.2019

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