Erneuerbare Energien im Quartier

im Interview mit Dr. Schulze-Darup

Erneuerbare Energien, spe­zi­ell die Photovoltaik, müs­sen für den Klimaschutz mehr in unse­re Siedlungsstrukturen inte­griert wer­den. So wird eine Betrachtung von der Kombination aus Wärme, Haushaltsstrom und Mobilität not­wen­dig. Dafür muss Mieterstrom auch in Quartieren mög­lich sein und darf sich nicht mehr auf ein­zel­ne Gebäude beschrän­ken. Für eine Energieversorgung mit erneu­er­ba­ren Energien in der Stadt sind also geeig­ne­te Rahmenbedingungen erfor­der­lich. Über diese Themen haben wir mit Architekt Dr. Schulze-Darup gesprochen.

Interview mit Architekt Dr. Schulze-Darup

Der Architekt Dr. Burkard Schulze-Darup hat bereits viele Jahre Erfahrung im Bau von hoch­ef­fi­zi­en­ten Häusern und mit dem Einsatz von erneu­er­ba­ren Energien. Neben sei­ner Arbeit als frei­schaf­fen­der Architekt hält er Vorträge, gibt Seminare und arbei­tet an Forschungsprojekten mit.

Welche Bedeutung hat Solarstrom im ener­ge­ti­schen Konzept eines kos­ten­güns­ti­gen und zukunfts­fä­hi­gen Wohnungsbaus?

Photovoltaik ist für den Gebäudebereich die ent­schei­den­de erneu­er­ba­re Technik. Wenn wir die Energiewende ernst neh­men, muss ein gro­ßer Teil der rege­ne­ra­ti­ven Energiegewinnung in die Siedlungsstrukturen inte­griert wer­den. Schließlich wol­len wir nicht unse­re Landschaft und Freiräume über die Maßen belas­ten. Zudem ist die Kostendegression von PV in den letz­ten zwan­zig Jahren atem­be­rau­bend. Mir als jahr­zehn­te­lan­gem Solarthermiker hat es kör­per­lich weh getan, als vor zehn Jahren der Switch kam: vor­her war in jede mei­ner Planungen Solarthermie inte­griert, seit­dem ist es PV, im Allgemeinen kom­bi­niert mit Wärmepumpentechnik. Für Gebäude mit sehr nied­ri­gem Energiebedarf ist das eine sehr ein­fa­che und zuneh­mend kos­ten­güns­ti­ge Versorgungsvariante.

Wie wich­tig ist solarer Mieterstrom für die­ses ener­ge­ti­sche Konzept?

Wir Planer dür­fen uns nicht mehr auf die Wärme beschrän­ken. Zusätzlich zum Heizen und zur Warmwasserbereitung müs­sen wir die Versorgung mit Haushaltsstrom und die E‑Mobilität mit­den­ken. Daraus erge­ben sich völ­lig neue Synergien und Herausforderungen, für die Regularien gefun­den wer­den müssen.

Wie hilft dabei das Gesetz zur Förderung des Mieterstroms?

Leider über­haupt nicht. In der Praxis lässt sich eigent­lich nur fest­stel­len, dass die aktu­el­le Fassung ein Mieterstromverhinderungsgesetz dar­stellt. Selbst gestan­de­ne Wohnungsunternehmen kapi­tu­lie­ren vor den hohen büro­kra­ti­schen Hürden.

Mieterstrom könnte integrale erneuerbare Stromversorgung im Quartier ermöglichen

Welche Rolle kann die Betrachtung eines Quartiers für das Angebot von Mieterstrom spielen?

Quartiere ermög­li­chen grund­sätz­lich hohe Synergien für erneu­er­ba­re Versorgungstechnik. Nicht umsonst gibt es sehr hohe Förderungen im Kontext „Wärmenetze 4.0“. Es ist aller­dings völ­lig ana­chro­nis­tisch, dass Wärmenetze mit rele­van­ten Anlagenverlusten hoch geför­dert wer­den, wäh­rend eine inte­gra­le erneu­er­ba­re Stromversorgung inner­halb eines Quartiers durch das Mieterstromfördergesetz de facto ver­hin­dert wird. Viele erfolg­rei­che Projekte ver­zich­ten auf die Mieterstromförderung.

Welche gesetz­li­chen Änderungen müs­sen gesche­hen, um das Konzept Mieterstrom zukunfts­fä­hi­ger zu machen?

Für Mieterstrom müs­sen pra­xis­ge­rech­te Rahmenbedingungen geschaf­fen wer­den, die rechts­si­cher sind und auch Vermietern ohne hohe Fachkenntnis offen­ste­hen. Selbstverständlich bie­tet es sich an, dass Dienstleister in dem Zusammenhang eine sinn­vol­le Aufgabe über­neh­men kön­nen. Dabei soll­te nicht nach hin­ten geschaut, son­dern die Zukunft vor­aus­ge­dacht werden.

Wie sieht ein zukunfts­fä­hi­ges System aus, das eine Ausgewogenheit zwi­schen den Interessen zen­tra­ler Netzbelange und dezen­tra­len, regio­na­len Lösungen, Kommunen und Quartieren schafft? Wie schaf­fen wir es, dass klein­tei­li­ge Versorgungssysteme einen hohen Autarkie- und Sicherheitsgrad auf­wei­sen, zugleich aber syn­er­ge­tisch mit dem Netz in der BRD oder EU wir­ken? Es geht doch um die Frage, wie kos­ten­güns­tig das zukünf­ti­ge System kalte Dunkelflauten bewäl­tigt. Brauchen wir einen rie­si­gen red­un­dan­ten Kraftwerkspark oder schaf­fen wir intel­li­gen­te­re klein­tei­li­ge Lösungen?

Je bes­ser der Energiestandard unse­rer Gebäude und je gerin­ger die Leistungsspitze im Winter, desto güns­ti­ger – und damit sozia­ler – wird die erneu­er­ba­re Versorgung der 2040er Jahre.

Zukunft mit hocheffizienten Gebäuden und gestalterisch integrierten Photovoltaikanlagen

Riskieren wir einen Blick in die Glaskugel: Wie sieht die Energieversorgung von Gebäuden in 20 Jahren aus?

Es wird ein sehr viel­fäl­ti­ger Mix sein, mög­li­cher­wei­se mit völ­lig neuen Systemlösungen. Ein gro­ßer Teil wird aber sicher auf der Technik basie­ren, die wir bei unse­ren Plusenergieprojekten bereits heute ein­bau­en: hoch­ef­fi­zi­en­te Gebäude im KfW EH 40-Standard in Passivhausqualität mit wär­me­pum­pen­ba­sier­ter Wärmetechnik. Dabei ist die Frage, wie klein­tei­lig die Aggregate sind. Sprechen wir von zen­tra­ler Versorgung mit nach wie vor hei­ßen oder auch kal­ten Fern- und Nah-Wärmenetzen oder von E‑Netzen mit klein­tei­li­gen Wärmepümpchen im Mini-Kühlschrankformat pro Wohnung, die als Weiße Ware her­ge­stellt und per Plug & Play ange­schlos­sen wer­den? Ich finde, es spricht vie­les für die zwei­te Variante.

Dazu gibt es eine Menge Photovoltaik, die gestal­te­risch hoch­wer­tig auf Dächern, Freiflächen und in Fassaden inte­griert ist. Kurzzeit- und Langzeitspeicher kom­plet­tie­ren das System. Batterien sichern die Versorgungsamplitude für einen oder weni­ge Tage. Für den sai­so­na­len Ausgleich benö­ti­gen wir Wasserstofftechnik. Auch dort ist für mich die Frage offen, ob die Elektrolyseure, Speicher und Brennstoffzellen als zen­tra­le Großtechnik orga­ni­siert wer­den oder dezen­tral im Quartiers- oder Gebäudemaßstab. Es wird wohl eine Mischung wer­den, denn nicht nur Start-Ups sind dabei, Wasserstofflösungen für die 2030er Jahre im kos­ten­güns­ti­gen Kleinstmaßstab zu bauen.

Vor allem gibt es von mir eine Prognose: wir müs­sen sofort anfan­gen, Klimaschutz und Energiewende sehr kon­se­quent zu Ende zu den­ken und vor allem umzu­set­zen. Die FridaysForFuture-Generation hat recht: Wir haben keine Zeit mehr. Je schnel­ler wir die guten Lösungen rea­li­sie­ren, desto kos­ten­güns­ti­ger wer­den wir die Klimaschutzziele errei­chen und desto gerin­ger wer­den die Folgebelastungen.

Wenn wir noch­mals fünf Jahre ver­schla­fen, wer­den wir unse­ren Kindern und Enkeln weni­ge Jahre spä­ter keine befrie­di­gen­de Antwort auf ihre Frage geben kön­nen, wie wir ihnen diese, unse­re ein­zi­ge Erde, über­ge­ben haben.

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Erfahrender Energieblogger mit hohem Interesse, die Energiewende mit inno­va­ti­ven Technologien und Geschäftsmodellen vor­an­zu­brin­gen. Experte für Gebäudeenergie mit dem Hintergrund als Dipl.-Ing.(FH) Bauphysik.

Andreas KühlEhemaliger Content-Creator bei SOLARIMOEnergynet-Portal für Energieeffizienz und erneu­er­ba­re Energien

Zuletzt bear­bei­tet: 21.10.2019

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