Wir haben uns mit dem zentralen Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA) in Verbindung gesetzt, um eine Einschätzung des Potentials von Photovoltaik in der Immobilienwirtschaft zu erhalten. Außerdem riskieren wir wieder einen Blick in die Glaskugel, um zu sehen wie die Energiegewinnung in 20 Jahren aussehen wird.
Wie bewerten Sie das neue Mieterstromgesetz und welche Rolle wird es für die urbane Energiewende spielen?
Der ZIA begrüßt das Gesetz zur Förderung von Mieterstrom als wichtigen Bestandteil der Energiewende. Die Umsetzung energieeffizienter Versorgung in Gebäuden kann unterstützend wirken, die Bezahlbarkeit zu gewährleisten. Im Sinne des Grundsatzes „Efficiency First“ stellt der Verkauf von Solarstrom an Mieter ein gutes Instrument dar, um die Entwicklung von Geschäftsmodellen durch die Marktakteure zur Nutzung von dezentral erzeugtem Strom voranzutreiben. Mit dem Gesetz macht die Bundesregierung einen ersten Schritt, die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien in der Immobilienwirtschaft zu verbessern.
Mieterstrom ist derzeit aufgrund zu hoher Hürden wirtschaftlich nicht ausreichend attraktiv. Noch nicht einmal ein Prozent der Förderung wurde in den ersten zehn Monaten in Anspruch genommen, gerade einmal 125 Projekte sind realisiert. Ohne Folgeänderungen im Gewerbesteuer- und im Körperschaftssteuergesetz müssen Vermieter auch weiterhin aus steuerlichen Gründen davon Abstand nehmen, Mieterstrom selbst anzubieten, was die Verbreitung von Mieterstrom-Projekten ausbremst. Zudem sind Gewerbeimmobilien aktuell durch den alleinigen Fokus auf Wohnimmobilien von Mieterstrommodellen ausgeschlossen. In diesem Bereich kann ein erhebliches Potential nicht genutzt werden.
Mieterstrom als neues Konzept macht es möglich, den Endenergiebedarf signifikant zu reduzieren. Wie bewerten Sie diese Entwicklung, die neben dem Fokus auf Primärenergie, eine Bilanzierung der Nachhaltigkeit von Immobilien zulässt?
Diese Entwicklung begrüßen wir sehr. Es ist zielführend sich mit den Ursachen der Treibhausgasemissionen zu befassen – Stichwort Verursacherprinzip. Mit anderen Worten: Das Energieeinsparrecht sollte sich mittel- bis langfristig am CO2-Ausstoß der Gebäude orientieren.
Anrechechenbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energien ist wichtig für Reduzierung der fossilen Energieträger in der Immobilienwirtschaft
Stichwort: Energetische Amortisation. Hat Photovoltaik das Potenzial die Immobilienwirtschaft langfristig tatsächlich nachhaltiger zu gestalten?
Auf jeden Fall, das Potenzial ist vorhanden. Eine Verbesserung der Anrechnung des Stromes aus erneuerbaren Energien ist unabdingbar und Grundvoraussetzung für die Immobilienwirtschaft, den Energieverbrauch fossiler Energieträger zu senken, insbesondere für die stromintensiven Wirtschaftsimmobilien. Der vorliegende Referentenentwurf zum Gebäudeenergiegesetz sieht vor, dass gebäudenah erzeugte Photovoltaik erstmals als Option für die Erfüllung der energetischen Standards stärker berücksichtigt werden kann, auch für Biomethan soll es diese Möglichkeit geben. Die geplante bessere Anrechenbarkeit von gebäudenah erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien kann für Bauherren und Eigentümer eine wirtschaftlich attraktive Möglichkeit für die energetische Optimierung darstellen. Hingegen bestehen für eine Weiterentwicklung der Neubaustandards immer weniger Spielräume. Die Erleichterung beim Einsatz erneuerbarer Energien in Gebäuden ist zwar sehr zu begrüßen, geht aber nicht weit genug. Vor allem bei der Berücksichtigung von Ökostrom wäre mehr möglich und auch sinnvoll.
Sie vertreten ja in erster Linie die Immobilienwirtschaft. Welche Bedeutung messen Sie in der Diskussion den Mieterinnen und Mietern bei?
Man kann die Immobilienwirtschaft sowie Mieterinnen und Mieter nicht voneinander getrennt betrachten. Dies wird schon anhand des sogenannten Investor-Nutzer-Dilemmas deutlich. Energetische Sanierungsmaßnahmen können unterbleiben, obwohl sie energetisch sinnvoll und für den Mieter kostenwirksam wären.
Schlüssel für Klimaziele liegt in den CO2-Emissionen des Gebäudebestandes
Wo sehen Sie die Immobilienwirtschaft in 10 Jahren. Wird jedes Haus eine Solaranlage haben, die auch selbstfahrende Autos speist oder wird der Fokus weiterhin eher auf energetischen Sanierungen liegen?
Um die ambitionierten Klimaziele auf nationaler, europäischer und globaler Ebene zu erreichen, werden wir beides brauchen. In jedem Fall werden wir uns intensiv mit den CO2-Emissionen des Gebäudebestandes befassen müssen. Hier liegt der Schlüssel zum Erreichen der Klimaziele. Zum anderen ist eine stärkere Nutzung der erneuerbaren Energien auch im Gebäudesektor unverzichtbar. Insbesondere Dachflächen in urbanen Gebieten bieten ein riesiges Potential für die Erzeugung erneuerbarer Energie, die wir nicht ungenutzt lassen dürfen. Letztlich ist ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand im Jahr 2050, wie er von der Bundesregierung angestrebt wird, nur unter Ausnutzung beider Elemente sowie der Ausschöpfung von Optimierungspotentialen zu erreichen.