Einführung in die kommunale Solarpflicht

Laut einer Umfrage der Agentur für Erneuerbare Energien fin­den 93 % der Deutschen die Energiewende nicht nur wich­tig, sie wün­schen sich auch deren zügi­ge Umsetzung. Damit wächst der öffent­li­che Druck auf Kommunen, sich in der aktu­el­len Klimadebatte aktiv mit Lösungen ein­zu­set­zen. Oft fehlt jedoch das Wissen, um pro­ak­tiv und effek­tiv agie­ren zu kön­nen. Ein Lösungsansatz aus dem Süden Deutschlands ist die kom­mu­na­le Solarpflicht. Was man genau unter einer PV-Pflicht ver­steht, wo sie funk­tio­niert und wo nicht sowie Vor- und Nachteile der PV-Pflicht wer­den im fol­gen­den Artikel erläutert.

Wir dis­ku­tie­ren die kom­mu­na­le Solarpflicht:

  1. Was genau ist kom­mu­na­le Solarpflicht?
  2. Baden-Württemberg: Erfolgreicher Vorreiter in der kom­mu­na­len PV-Pflicht
  3. Hessen: Solarpflicht schei­tert an Landesgesetz
  4. Vor- und Nachteile der Solarpflicht
  5. Wann die Solarpflicht trotz­dem sinn­voll sein kann

1. Was genau ist kommunale Solarpflicht?

Eine kom­mu­na­le Solarpflicht bezieht sich auf eine, in der kom­mu­na­len Satzung fest­ge­hal­te­ne Pflicht, dass alle Neubauten, wenn sinn­voll in der Umsetzung, mit Solarmodulen belegt wer­den. Zusätzlich kann die Solarpflicht auf Bestandsgebäude erwei­tert wer­den, wenn diese saniert oder erwei­tert wer­den sowie ein neues Heizsystem benötigen.

Die Einführung einer sol­chen Pflicht auf kom­mu­na­ler Ebene wurde durch das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz von 2008 ermög­licht. Dieses ent­hält für die Errichtung von Neubauten eine abschlie­ßen­de Regelung für die Verpflichtung von erneu­er­ba­ren Energien. Je nach Landesgesetz kann zudem in der Bauordnung fest­ste­hen, dass sat­zungs­recht­li­che Vorgaben für die Verwendung bestimm­ter Heizungsarten fest­ge­legt wer­den kön­nen, ein­schließ­lich der Solarthermie.

2. Baden-Württemberg: Erfolgreicher Vorreiter in der kommunalen PV-Pflicht

In Tübingen besteht seit Juli 2018 eine Solarpflicht für alle Neubauten. Auch die Gemeinde Waiblingen hat die PV-Pflicht ein­ge­führt, aller­dings schon vor über zehn Jahren. In bei­den Fällen wurde im Bebauungsplan fest­ge­schrie­ben, dass alle Neubauten mit einer PV-Anlage aus­ge­stat­tet sein müs­sen. Konkret heißt das, wer ein Grundstück von der Stadt kauft oder ein neues Planrecht für ein Grundstück benö­tigt, wird inner­halb des Kauf- bezie­hungs­wei­se städ­te­bäu­li­chen Vertrages dazu ver­pflich­tet, eine Solaranlage zu errichten.

Genaue Anforderungen an die Anlagengröße wer­den indi­vi­du­ell mit den ein­zel­nen Vertragspartnern ver­ein­bart. Wichtig ist dabei das Gebot der Verhältnismäßigkeit: Wenn sich die Anlage nicht rech­net, weil das Gebäude bei­spiels­wei­se stark beschat­tet ist, und somit nicht wirt­schaft­lich ist, ent­fällt die Pflicht. Auch die Mindestanlagenleistung wird anhand des Stromverbrauches sowie des wirt­schaft­li­chen Aufwands errechnet.

Wenn Grundstückskäufer selbst nicht in eine Anlage inves­tie­ren möch­ten oder kön­nen, bie­ten die Städte alter­na­ti­ve Pachtmodelle an. Dabei wer­den die PV-Anlagen von den loka­len Stadtwerken errich­tet und die Gebäudebesitzer zah­len eine Pachtrate, die sich an der Größe und Leistung der Anlage orientiert.

3. Hessen: Solarpflicht scheitert an Landesgesetz

In Hessen haben sich die Gemeinden Marburg und Kassel an einer kom­mu­na­len Solarpflicht ver­sucht. In den hes­si­schen Fällen soll­te sich diese PV-Pflicht jedoch nicht nur auf Neubauten bezie­hen, son­dern eben auch auf Bestandsgebäude. Zwar schaff­te es die sola­re Beschlussvorlage durch die jewei­li­gen Stadtparlamente, jedoch wurde das neue Gesetz von der hes­si­schen Landesregierung ausgehebelt.

Diese hatte die hes­si­sche Bauordnung refor­miert, um Bauen in Hessen schnel­ler, kos­ten­güns­ti­ger und ein­fa­cher zu gestal­ten. Nur noch für Hochhäuser, große Bürogebäude, Hallen und sons­ti­ge Sonderbauten ist eine umfas­sen­de bau­auf­sicht­li­che Prüfung nötig. Diese Reform der Bauordnung bezog sich spe­zi­fisch auf die Entfernung des Paragraphen bezüg­lich der Ermächtigung von Gemeinden, Vorschriften erlas­sen zu kön­nen über “beson­de­re Anforderungen an bau­li­chen Anlagen”.

Damit ent­fällt die Möglichkeit, dass Gemeinden in Hessen per Bebauungsplan Brennstoffe und Heizungsarten vor­ge­ben kön­nen. Marburg klag­te zwar zunächst wegen Eingriff in das kom­mu­na­le Hoheitsrecht, muss­te sich jedoch lang­fris­tig geschla­gen geben, da das Gießener Verwaltungsgericht die Klage abwies.

4. Vor- und Nachteile der Solarpflicht

Was spricht für die PV-Pflicht?

Wo das Wissen oder auch ein­fach die zeit­li­che Kapazität fehlt, den loka­len Klimaschutz anzu­grei­fen, dort rutscht er auf Dauer nach unten auf der Prioritätenliste. Eine Solarpflicht schafft da schnell, gute und lang­fris­tig nach­hal­ti­ge Ergebnisse. Denn die PV-Pflicht zieht jeden in die Verantwortung, sich für Umweltschutz ein­zu­set­zen — nicht nur kom­mu­na­le Vertreter, son­dern auch Unternehmer, Bauherren und Vermieter.

Dächer und Hausfassaden bie­ten aktu­ell in Deutschland ein stark unge­nutz­tes Potenzial: Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme stell­te fest, dass Dächer und Fassaden in Deutschland noch ein tech­ni­sches PV-Potential von min­des­tens 1,4 Terrawatt bie­ten. Das ent­spricht der Versorgung von 356 Millionen Haushalten bei einem jähr­li­chen Durchschnittsverbrauch von 3500 kWh.

Wenn man bedenkt, dass in Deutschland Ende 2018 PV-Module mit einer Nennleistung von gera­de mal 45,9 Gigawatt instal­liert waren, wird deut­lich wie viel Luft im PV-Ausbau nach oben bleibt. Zumal die Kosten für PV-Anlagen in den letz­ten Jahren stark gesun­ken sind, wäh­rend sich die Leistung dras­tisch ver­bes­sert hat. Gleiches gilt auch für den pro­du­zier­ten Strom; die­ser ist vom eige­nen Dach güns­ti­ger als kon­ven­tio­nel­ler Strom aus der Steckdose. Zudem hat solarer Mieterstrom weni­ger Bestandteile, die für einen Anstieg des Strompreises sor­gen kön­nen, er wirkt damit als eine Strompreisbremse.

Was spricht dagegen?

Kritische Stimmen aus Politik und Baubranche argu­men­tie­ren, dass zusätz­li­che finan­zi­el­le Anreize statt einer all­ge­mei­nen Pflicht sinn­vol­ler wären und über­flüs­si­ge Bürokratie erspa­ren. Mit der all­ge­mein herr­schen­den Wohnungsnot soll­te der Wohnungsbau durch ver­ein­fach­tes Bauen ange­regt und nicht durch zusätz­li­che Bauvorschriften erschwert werden.

Zusätzlichen Baukosten könn­ten zudem gera­de jun­gen Familien den Traum von den eige­nen vier Wänden ver­weh­ren. Auch in der Architektur fin­det man sel­ten PV-Enthusiasten: Solaranlagen sind nicht ästhe­tisch, weder auf dem Dach noch an der Fassade. Bei Bestandsgebäude kom­men dann oft noch Limitierungen durch den Denkmalschutz hinzu.

5. Wann die Solarpflicht trotzdem sinnvoll sein kann

Die auf­ge­führ­ten Fälle zei­gen deut­lich, dass es der Unterstützung durch die Landesregierung bedarf. Für Kommunen heißt das kon­kret, den Dialog mit der Landesregierung zu suchen. Dort wo die Bauverordnung Spielraum für eigen­stän­di­ges Handeln zulässt, dort macht die PV-Pflicht durch­aus Sinn. In Baden-Württemberg wird nach den erfolg­rei­chen Beispielen in Tübingen und Waiblingen aktu­ell dis­ku­tiert, ob eine lan­des­wei­te Einführung der PV-Pflicht mög­lich ist.

Gerade wenn sich die Solarpflicht pri­mär auf Neubauten bezieht, ist eine Einführung ein­fa­cher als auf Bestandsgebäuden. Zudem ist wich­tig, dass bei der Umsetzung einer Solarpflicht die Regelungen so getrof­fen wer­den, dass aus­rei­chend Ausnahmen mög­lich sind und Härtefälle ver­mie­den wer­den können.

Auch alter­na­ti­ve Finanzierungsmodelle, wie zum Beispiel Pachtverträge, sind hilf­reich. In Waiblingen und Tübingen gab es bis­her keine Klagen, tat­säch­lich ist dort die Solarpflicht gut ange­kom­men. Das hat auch ande­ren Kommunen Mut gemacht: In Hamburg soll die PV-Pflicht für Neubauten ab 2023 ein­ge­führt wer­den und auch Berlin dis­ku­tiert eine sola­re Baupflicht für Neubauten.

SOLARIMO ist gespannt wie sich das Thema in Deutschland wei­ter­ent­wi­ckelt und hält Sie auf dem neu­es­ten Stand.

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Erfahrender Energieblogger mit hohem Interesse, die Energiewende mit inno­va­ti­ven Technologien und Geschäftsmodellen vor­an­zu­brin­gen. Experte für Gebäudeenergie mit dem Hintergrund als Dipl.-Ing.(FH) Bauphysik.

Andreas KühlEhemaliger Content-Creator bei SOLARIMOEnergynet-Portal für Energieeffizienz und erneu­er­ba­re Energien

Zuletzt bear­bei­tet: 11.02.2020

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