Die Bundesregierung strebt bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand an. Damit spielt nicht nur der Energiebedarf in der Nutzungszeit eine Rolle, auch der energetische Aufwand zur Herstellung und Entsorgung der Bauten gewinnt an Bedeutung.
Zur Wirkung von unterschiedlichen Gebäudekonzepten auf den Klimaschutz hat das Umweltbundesamt im vergangenen Jahr einen entsprechenden Bericht veröffentlicht. Dieser empfiehlt einen Vorrang für Energieeffizienz und die Stärkung der lokalen Erzeugung und Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien. Der Bericht ist damit ein Plädoyer für Photovoltaikanlagen mit Mieterstrom auf allen Gebäuden und in Quartieren.
Zusammenfassung der Studie über den Energieaufwand für verschiedene Gebäudekonzepte im Lebenszyklus:
- Paradigmenwechsel in der energetischen Betrachtung von Gebäuden
- Betrachtung des kumulierten Energieaufwands
- Reduzierung der Emissionen aus der Herstellung
- Vergleich einer Ausführung mit und ohne PV-Dachanlage
- Vergleich verschiedener Energiekonzepte für ein Mehrfamilienhaus
- Empfehlungen für Planer und Gebäudeeigentümer
- Empfehlungen für politische Maßnahmen
- Fazit
1. Paradigmenwechsel in der energetischen Betrachtung von Gebäuden
Die Energieeffizienz von Gebäuden hatte bisher ihren Fokus auf die Nutzungsphase. Der Heizenergiebedarf soll möglichst gering sein. Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich politische Maßnahmen auf Anforderungen an die Energieeffizienz der Gebäudehülle und der Anlagentechnik fokussiert. Doch je geringer der Energiebedarf während der Nutzungszeit ist, desto mehr gewinnen die Herstellung und Entsorgung des Gebäudes an Bedeutung.
Daher haben die Autoren der Studie des Umweltbundesamtes den Energieaufwand im gesamten Lebenszyklus für verschiedene Gebäudetypen bei unterschiedlichen Energiekonzepten untersucht. Sie gehen mit ihrer Untersuchung weit über die übliche Betrachtung der Nutzungsphase hinaus. Zusätzlich haben sie eine Erweiterung der Bilanzgrenzen untersucht und beziehen nun neben der Energie für Herstellung, Transport und Entsorgung der verwendeten Bauprodukte, auch den Nutzerstrom in die energetische Betrachtung mit ein.
Für diese Sichtweise hat die Studie verschiedene Gebäudetypen, Mehrfamilienhäuser und Einfamilienhäuser, mit unterschiedlich hochwertigen Standards für Neubau und Sanierung im Bestand untersucht. Zur Betrachtung gehören das Treibhauspotenzial, bzw. die CO2-Emissionen (GWP für Global Warming Potential = Angabe des CO2-Äquivalent), der nicht erneuerbare kumulierte Energieaufwand (KEAne) und die Jahresgesamtkosten für die untersuchten Varianten.
2. Betrachtung des kumulierten Energieaufwands
Bei der Untersuchung des kumulierten Energieaufwands zeigt sich, dass die Nutzungsphase nach wie vor der entscheidende Hebel zur Senkung des Energieverbrauchs ist. Für die Höhe der CO2-Emissionen ist insbesondere die Art der Wärmeversorgung verantwortlich. Eine regenerative Wärmeversorgung kann die Emissionen erheblich reduzieren.
Zusätzliche CO2-Einsparungen sind durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach möglich. Diese kann darüber hinaus die Jahresgesamtkosten reduzieren, in Verbindung mit einer Wärmepumpe. Je nach Art der Wärmeversorgung liegen die CO2-Einsparungen durch eine Photovoltaikanlage zwischen 30 und 60 Prozent. Eine Verbesserung der Gebäudehülle, vom EnEV-Standard auf KfW-Effizienzhaus 55, führt zu einer zusätzlichen CO2-Einsparung zwischen fünf und 15 Prozent. Weitere Maßnahmen, wie der Standard KfW-Effizienzhaus 40 oder eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, erzielen nur bei einer rein fossilen Wärmeversorgung einen positiven Effekt. Bei einer Versorgung mit erneuerbaren Energien führen diese Maßnahmen sogar zu höheren CO2-Emissionen durch den höheren Aufwand für die Konstruktion.
Herstellung, Instandsetzung und Rückbau, inklusive Entsorgung der Gebäudekonstruktion tragen — je nach Standard — mit 12 bis 16 kg CO2-Äquivalenten pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr zu den Emissionen des Gebäudes bei. Sie liegen sowohl beim Standard EnEV 2016, als auch beim Passivhaus-Standard bei etwa 30 Prozent der gesamten Emissionen. Bei Null- und Plusenergiegebäuden erhöht sich der Anteil für Bau und Rückbau auf rund 35 bis 40 Prozent. Durch die lokale Stromerzeugung ist in Plusenergiegebäuden eine Kompensation der nutzungsbedingten CO2-Emissionen möglich.
Die Emissionen aus dem Energieaufwand für den Gebäudebetrieb und dem Aufwand für den Nutzerstrom liegen jeweils zwischen zehn und 17 kg CO2-Äquivalenten pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr, je nach Standard. Durch eine lokale Stromerzeugung mit Photovoltaikanlagen lässt sich dieser Wert noch deutlich reduzieren.
Betrachtet man den kumulierten Energieaufwand, so schlagen Bau und Rückbau des Gebäudes sowohl für den EnEV 2016 als auch den Passivhaus-Standard mit 20 und 25 Prozent zu Buche. Bei Null- und Plusenergie-Gebäuden steigt er auf rund 35 bis 40 Prozent. Auch beim kumulierten Energieaufwand kann eine lokale Stromerzeugung den nutzungsbedingten Energieaufwand kompensieren.
3. Reduzierung der Emissionen aus der Herstellung
Um die Emissionen aus der Herstellung eines Gebäudes zu analysieren, ist es notwendig die Verteilung auf einzelne Bauteile, bzw. Gewerke, zu betrachten. Die Studie hat diese Verteilung für ein Mehrfamilienhaus im Plusenergie-Standard in Massivbauweise untersucht. Dabei hat sich herausgestellt, dass knapp 80 Prozent der Treibhausgas-Emissionen bei der Erstellung der Gebäudehülle anfallen. Den höchsten Anteil hat dabei Stahlbeton, mit 46 Prozent der gesamten Emissionen. Die Dämmung der Gebäudehülle mit EPS-Dämmstoff und Mineralwolle hat einen Anteil von sechs Prozent. Eine PV-Anlage auf dem Dach und der Fassade trägt mit 17 Prozent zu den Emissionen bei.
Zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei der Errichtung von Gebäuden empfiehlt die Studie eine Holzständerbauweise mit Dämmung aus Zellulose oder aus nachwachsenden Rohstoffen zu verwenden. Mit dieser Bauweise sind die Emissionen der Errichtungsphase um 70 Prozent geringer.
4. Vergleich einer Ausführung mit und ohne PV-Dachanlage
Ebenfalls Gegenstand der Studie ist ein Vergleich von Einzelmaßnahmen hinsichtlich der CO2-Einsparung und der Investitionskosten. Darunter sind Maßnahmen, wie unterschiedliche Dämmstandards, Varianten der Wärmeversorgung, Lüftungsanlagen und der Vergleich von Holz- und Massivbauweise. Einer dieser Vergleiche untersucht eine Ausführung mit einer PV-Dachanlage und eine Ausführung ohne Photovoltaik.
Mit einer Photovoltaik-Dachanlage lassen sich die Emissionen, je nach verfügbarer Dachfläche, um fünf bis 20 kg CO2-Äq./(m²Wfl.·a) reduzieren. Die Kosten für die Investitionen belaufen sich auf 60 bis 70 €/t CO2-Äq. Damit sind die Investitionen zur CO2-Einsparung mit Photovoltaik-Anlagen geringer als bei zahlreichen anderen Maßnahmen. Nur die Optimierung der Wärmeversorgung ist noch günstiger.
5. Vergleich verschiedener Energiekonzepte für ein Mehrfamilienhaus
Die Wissenschaftler*innen haben unterschiedliche Gebäude-Standards hinsichtlich erreichbarer CO2-Emissionen in der Nutzungsphase und der damit verbundenen Jahresgesamtkosten verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Vorgabe eines Standards zu CO2-Einsparungen führen kann. Dieser wird jedoch nicht als Garantie für die gewünschten CO2-Einsparungen betrachtet.
Es gibt jedoch auch innerhalb eines Standards eine große Spreizung der Emissionen. Bei Nullenergiegebäuden mit einer fossilen Wärmeversorgung können die CO2-Emissionen eine vergleichbare Höhe erreichen, wie Gebäude im Standard EnEV 2016 oder Passivhäuser mit einer regenerativen Wärmeversorgung. Auf der anderen Seite können ökologisch optimierte Gebäude in diesen Standards mit einer erneuerbaren Wärmeversorgung und einer Photovoltaik-Anlage die geringen Emissionen eines Plusenergiegebäudes erreichen.
6. Empfehlungen für Planer und Gebäudeeigentümer
Das Prinzip “Efficiency First”, also Energieeffizienz sollte die wichtigste Maßnahme sein. Dazu gehören eine gut gedämmte Gebäudehülle und effiziente Anlagentechnik, eine Sanierung auf den Standard EnEV 2016, sowie ein energiebewusstes Nutzerverhalten.
Weitere Maßnahmen zur kosteneffizienten Reduzierung der CO2-Emissionen und des kumulierten Energieaufwands sind die dezentrale erneuerbare Energieerzeugung mit eigener Nutzung des Stroms und eine erneuerbare Wärmeversorgung. Darüber hinaus empfehlen die Autor*innen eine Schonung der Ressourcen durch Sanierung statt Neubauten, bzw. einen Neubau mit einer Leichtbauweise. Als weitere Maßnahme folgt eine Verbesserung der Gebäudehülle auf den Standard KfW-Effizienzhaus 55. Die Inanspruchnahme der Förderung für ein KfW-Effizienzhaus ist jedoch wirtschaftlich.
Da PV-Anlagen zur Reduzierung des Energieaufwands beitragen, ist es ratsam, diese im Neubau bereits im Entwurf einzuplanen. Auch im Bestand empfehlen die Autor*innen der Studie aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen das vorhandene PV-Potenzial zu nutzen. Der lokal erzeugte Solarstrom sollte überwiegend vor Ort verbraucht werden, um die Wirtschaftlichkeit der Anlage zu erhöhen. In größeren Liegenschaften und in Quartieren kann die Einplanung von Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität die Eigenstromnutzung weiter erhöhen.
7. Empfehlungen für politische Maßnahmen
Aus der vorliegenden Studie lassen sich verschiedene umweltpolitische Schwerpunkte mit einer entsprechenden Lenkungswirkung ableiten. Als wichtigstes Thema sieht die Studie eine ganzheitliche Bilanzierung von Gebäuden über den Lebenszyklus für ein ressourcenschonendes Bauen vor.
Des weiteren empfiehlt die Studie eine Neuausrichtung der Gebäudebewertung anhand der Klimaschutzziele. Dazu gehören die Einführung eines CO2-Labels für Gebäude, eine Erweiterung der Bilanzgrenzen für die Gebäudebewertung, ein individueller Klimaschutzplan für Gebäude, sowie die Entwicklung von Quartiers-Ansätzen.
Um die klimapolitischen Ziele im Gebäudesektor zu erreichen, ist die Dekarbonisierung der Energieinfrastruktur notwendig. Dazu gehören der Ausbau von erneuerbaren Energien in den Strom‑, Gas- und Wärmenetzen, sowie der Ausbau der Förderung von Eigenstromnutzung und der Abbau von Hürden für die Sektorenkopplung. Im Stromsystem muss mehr Flexibilität möglich werden, sowohl auf der Erzeugungs‑, als auch auf der Verbraucherseite. Als weitere Maßnahme wird die Einführung einer CO2-Bepreisung über alle Sektoren hinweg empfohlen.
8. Fazit
Die auszugsweise Betrachtung der Studie “Energieaufwand für verschiedene Gebäudekonzepte im Lebenszyklus” zeigt eine hohe Bedeutung der lokalen Stromerzeugung mit einer Photovoltaikanlage. Neben einer effizienten Gebäudehülle und moderner Anlagentechnik nach dem Standard EnEV 2016 gehört die dezentrale Stromerzeugung mit einer PV-Anlage und Eigenstromnutzung zu den effizientesten Maßnahmen um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen. Damit ist die stärkere Berücksichtigung von Photovoltaikanlagen im Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz der richtige Weg.
Mieterstrom bietet, nach Angaben der Studie, die Möglichkeit kostenneutral zur massiven Senkung des Energieaufwands beizutragen. Die Umsetzung sollte aber auch in Quartieren möglich sein, um allen Mieter*innen die Teilnahme zu ermöglichen. Eine weitere Option ist die Sektorenkopplung für die Bereitstellung von Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität.