Klimaneutraler Gebäudebestand

Wie sehen die Konzepte aus?

Die Bundesregierung strebt bis 2050 einen kli­ma­neu­tra­len Gebäudebestand an. Damit spielt nicht nur der Energiebedarf in der Nutzungszeit eine Rolle, auch der ener­ge­ti­sche Aufwand zur Herstellung und Entsorgung der Bauten gewinnt an Bedeutung.

Zur Wirkung von unter­schied­li­chen Gebäudekonzepten auf den Klimaschutz hat das Umweltbundesamt im ver­gan­ge­nen Jahr einen ent­spre­chen­den Bericht ver­öf­fent­licht. Dieser emp­fiehlt einen Vorrang für Energieeffizienz und die Stärkung der loka­len Erzeugung und Nutzung von Strom aus erneu­er­ba­ren Energien. Der Bericht ist damit ein Plädoyer für Photovoltaikanlagen mit Mieterstrom auf allen Gebäuden und in Quartieren.

Zusammenfassung der Studie über den Energieaufwand für ver­schie­de­ne Gebäudekonzepte im Lebenszyklus:

  1. Paradigmenwechsel in der ener­ge­ti­schen Betrachtung von Gebäuden
  2. Betrachtung des kumu­lier­ten Energieaufwands
  3. Reduzierung der Emissionen aus der Herstellung
  4. Vergleich einer Ausführung mit und ohne PV-Dachanlage
  5. Vergleich ver­schie­de­ner Energiekonzepte für ein Mehrfamilienhaus
  6. Empfehlungen für Planer und Gebäudeeigentümer
  7. Empfehlungen für poli­ti­sche Maßnahmen
  8. Fazit

1. Paradigmenwechsel in der energetischen Betrachtung von Gebäuden

Die Energieeffizienz von Gebäuden hatte bis­her ihren Fokus auf die Nutzungsphase. Der Heizenergiebedarf soll mög­lichst gering sein. Um die­ses Ziel zu errei­chen, haben sich poli­ti­sche Maßnahmen auf Anforderungen an die Energieeffizienz der Gebäudehülle und der Anlagentechnik fokus­siert. Doch je gerin­ger der Energiebedarf wäh­rend der Nutzungszeit ist, desto mehr gewin­nen die Herstellung und Entsorgung des Gebäudes an Bedeutung.

Daher haben die Autoren der Studie des Umweltbundesamtes den Energieaufwand im gesam­ten Lebenszyklus für ver­schie­de­ne Gebäudetypen bei unter­schied­li­chen Energiekonzepten unter­sucht. Sie gehen mit ihrer Untersuchung weit über die übli­che Betrachtung der Nutzungsphase hin­aus. Zusätzlich haben sie eine Erweiterung der Bilanzgrenzen unter­sucht und bezie­hen nun neben der Energie für Herstellung, Transport und Entsorgung der ver­wen­de­ten Bauprodukte, auch den Nutzerstrom in die ener­ge­ti­sche Betrachtung mit ein.

Für diese Sichtweise hat die Studie ver­schie­de­ne Gebäudetypen, Mehrfamilienhäuser und Einfamilienhäuser, mit unter­schied­lich hoch­wer­ti­gen Standards für Neubau und Sanierung im Bestand unter­sucht. Zur Betrachtung gehö­ren das Treibhauspotenzial, bzw. die CO2-Emissionen (GWP für Global Warming Potential = Angabe des CO2-Äquivalent), der nicht erneu­er­ba­re kumu­lier­te Energieaufwand (KEAne) und die Jahresgesamtkosten für die unter­such­ten Varianten.

2. Betrachtung des kumulierten Energieaufwands

Bei der Untersuchung des kumu­lier­ten Energieaufwands zeigt sich, dass die Nutzungsphase nach wie vor der ent­schei­den­de Hebel zur Senkung des Energieverbrauchs ist. Für die Höhe der CO2-Emissionen ist ins­be­son­de­re die Art der Wärmeversorgung ver­ant­wort­lich. Eine rege­ne­ra­ti­ve Wärmeversorgung kann die Emissionen erheb­lich reduzieren.

Zusätzliche CO2-Einsparungen sind durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach mög­lich. Diese kann dar­über hin­aus die Jahresgesamtkosten redu­zie­ren, in Verbindung mit einer Wärmepumpe. Je nach Art der Wärmeversorgung lie­gen die CO2-Einsparungen durch eine Photovoltaikanlage zwi­schen 30 und 60 Prozent. Eine Verbesserung der Gebäudehülle, vom EnEV-Standard auf KfW-Effizienzhaus 55, führt zu einer zusätz­li­chen CO2-Einsparung zwi­schen fünf und 15 Prozent. Weitere Maßnahmen, wie der Standard KfW-Effizienzhaus 40 oder eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, erzie­len nur bei einer rein fos­si­len Wärmeversorgung einen posi­ti­ven Effekt. Bei einer Versorgung mit erneu­er­ba­ren Energien füh­ren diese Maßnahmen sogar zu höhe­ren CO2-Emissionen durch den höhe­ren Aufwand für die Konstruktion.

Herstellung, Instandsetzung und Rückbau, inklu­si­ve Entsorgung der Gebäudekonstruktion tra­gen — je nach Standard — mit 12 bis 16 kg CO2-Äquivalenten pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr zu den Emissionen des Gebäudes bei. Sie lie­gen sowohl beim Standard EnEV 2016, als auch beim Passivhaus-Standard bei etwa 30 Prozent der gesam­ten Emissionen. Bei Null- und Plusenergiegebäuden erhöht sich der Anteil für Bau und Rückbau auf rund 35 bis 40 Prozent. Durch die loka­le Stromerzeugung ist in Plusenergiegebäuden eine Kompensation der nut­zungs­be­ding­ten CO2-Emissionen möglich.

Die Emissionen aus dem Energieaufwand für den Gebäudebetrieb und dem Aufwand für den Nutzerstrom lie­gen jeweils zwi­schen zehn und 17 kg CO2-Äquivalenten pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr, je nach Standard. Durch eine loka­le Stromerzeugung mit Photovoltaikanlagen lässt sich die­ser Wert noch deut­lich reduzieren.

Betrachtet man den kumu­lier­ten Energieaufwand, so schla­gen Bau und Rückbau des Gebäudes sowohl für den EnEV 2016 als auch den Passivhaus-Standard mit 20 und 25 Prozent zu Buche. Bei Null- und Plusenergie-Gebäuden steigt er auf rund 35 bis 40 Prozent. Auch beim kumu­lier­ten Energieaufwand kann eine loka­le Stromerzeugung den nut­zungs­be­ding­ten Energieaufwand kompensieren.

3. Reduzierung der Emissionen aus der Herstellung

Um die Emissionen aus der Herstellung eines Gebäudes zu ana­ly­sie­ren, ist es not­wen­dig die Verteilung auf ein­zel­ne Bauteile, bzw. Gewerke, zu betrach­ten. Die Studie hat diese Verteilung für ein Mehrfamilienhaus im Plusenergie-Standard in Massivbauweise unter­sucht. Dabei hat sich her­aus­ge­stellt, dass knapp 80 Prozent der Treibhausgas-Emissionen bei der Erstellung der Gebäudehülle anfal­len. Den höchs­ten Anteil hat dabei Stahlbeton, mit 46 Prozent der gesam­ten Emissionen. Die Dämmung der Gebäudehülle mit EPS-Dämmstoff und Mineralwolle hat einen Anteil von sechs Prozent. Eine PV-Anlage auf dem Dach und der Fassade trägt mit 17 Prozent zu den Emissionen bei.

Zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei der Errichtung von Gebäuden emp­fiehlt die Studie eine Holzständerbauweise mit Dämmung aus Zellulose oder aus nach­wach­sen­den Rohstoffen zu ver­wen­den. Mit die­ser Bauweise sind die Emissionen der Errichtungsphase um 70 Prozent geringer.

4. Vergleich einer Ausführung mit und ohne PV-Dachanlage

Ebenfalls Gegenstand der Studie ist ein Vergleich von Einzelmaßnahmen hin­sicht­lich der CO2-Einsparung und der Investitionskosten. Darunter sind Maßnahmen, wie unter­schied­li­che Dämmstandards, Varianten der Wärmeversorgung, Lüftungsanlagen und der Vergleich von Holz- und Massivbauweise. Einer die­ser Vergleiche unter­sucht eine Ausführung mit einer PV-Dachanlage und eine Ausführung ohne Photovoltaik.

Mit einer Photovoltaik-Dachanlage las­sen sich die Emissionen, je nach ver­füg­ba­rer Dachfläche, um fünf bis 20 kg CO2-Äq./(m²Wfl.·a) redu­zie­ren. Die Kosten für die Investitionen belau­fen sich auf 60 bis 70 €/t CO2-Äq. Damit sind die Investitionen zur CO2-Einsparung mit Photovoltaik-Anlagen gerin­ger als bei zahl­rei­chen ande­ren Maßnahmen. Nur die Optimierung der Wärmeversorgung ist noch günstiger.

5. Vergleich verschiedener Energiekonzepte für ein Mehrfamilienhaus

Die Wissenschaftler*innen haben unter­schied­li­che Gebäude-Standards hin­sicht­lich erreich­ba­rer CO2-Emissionen in der Nutzungsphase und der damit ver­bun­de­nen Jahresgesamtkosten ver­gli­chen. Die Ergebnisse zei­gen, dass die Vorgabe eines Standards zu CO2-Einsparungen füh­ren kann. Dieser wird jedoch nicht als Garantie für die gewünsch­ten CO2-Einsparungen betrachtet.

Es gibt jedoch auch inner­halb eines Standards eine große Spreizung der Emissionen. Bei Nullenergiegebäuden mit einer fos­si­len Wärmeversorgung kön­nen die CO2-Emissionen eine ver­gleich­ba­re Höhe errei­chen, wie Gebäude im Standard EnEV 2016 oder Passivhäuser mit einer rege­ne­ra­ti­ven Wärmeversorgung. Auf der ande­ren Seite kön­nen öko­lo­gisch opti­mier­te Gebäude in die­sen Standards mit einer erneu­er­ba­ren Wärmeversorgung und einer Photovoltaik-Anlage die gerin­gen Emissionen eines Plusenergiegebäudes erreichen.

6. Empfehlungen für Planer und Gebäudeeigentümer

Das Prinzip “Efficiency First”, also Energieeffizienz soll­te die wich­tigs­te Maßnahme sein. Dazu gehö­ren eine gut gedämm­te Gebäudehülle und effi­zi­en­te Anlagentechnik, eine Sanierung auf den Standard EnEV 2016, sowie ein ener­gie­be­wuss­tes Nutzerverhalten.

Weitere Maßnahmen zur kos­ten­ef­fi­zi­en­ten Reduzierung der CO2-Emissionen und des kumu­lier­ten Energieaufwands sind die dezen­tra­le erneu­er­ba­re Energieerzeugung mit eige­ner Nutzung des Stroms und eine erneu­er­ba­re Wärmeversorgung. Darüber hin­aus emp­feh­len die Autor*innen eine Schonung der Ressourcen durch Sanierung statt Neubauten, bzw. einen Neubau mit einer Leichtbauweise. Als wei­te­re Maßnahme folgt eine Verbesserung der Gebäudehülle auf den Standard KfW-Effizienzhaus 55. Die Inanspruchnahme der Förderung für ein KfW-Effizienzhaus ist jedoch wirtschaftlich.

Da PV-Anlagen zur Reduzierung des Energieaufwands bei­tra­gen, ist es rat­sam, diese im Neubau bereits im Entwurf ein­zu­pla­nen. Auch im Bestand emp­feh­len die Autor*innen der Studie aus öko­lo­gi­schen und wirt­schaft­li­chen Gründen das vor­han­de­ne PV-Potenzial zu nut­zen. Der lokal erzeug­te Solarstrom soll­te über­wie­gend vor Ort ver­braucht wer­den, um die Wirtschaftlichkeit der Anlage zu erhö­hen. In grö­ße­ren Liegenschaften und in Quartieren kann die Einplanung von Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität die Eigenstromnutzung wei­ter erhöhen.

7. Empfehlungen für politische Maßnahmen

Aus der vor­lie­gen­den Studie las­sen sich ver­schie­de­ne umwelt­po­li­ti­sche Schwerpunkte mit einer ent­spre­chen­den Lenkungswirkung ablei­ten. Als wich­tigs­tes Thema sieht die Studie eine ganz­heit­li­che Bilanzierung von Gebäuden über den Lebenszyklus für ein res­sour­cen­scho­nen­des Bauen vor.

Des wei­te­ren emp­fiehlt die Studie eine Neuausrichtung der Gebäudebewertung anhand der Klimaschutzziele. Dazu gehö­ren die Einführung eines CO2-Labels für Gebäude, eine Erweiterung der Bilanzgrenzen für die Gebäudebewertung, ein indi­vi­du­el­ler Klimaschutzplan für Gebäude, sowie die Entwicklung von Quartiers-Ansätzen.

Um die kli­ma­po­li­ti­schen Ziele im Gebäudesektor zu errei­chen, ist die Dekarbonisierung der Energieinfrastruktur not­wen­dig. Dazu gehö­ren der Ausbau von erneu­er­ba­ren Energien in den Strom‑, Gas- und Wärmenetzen, sowie der Ausbau der Förderung von Eigenstromnutzung und der Abbau von Hürden für die Sektorenkopplung. Im Stromsystem muss mehr Flexibilität mög­lich wer­den, sowohl auf der Erzeugungs‑, als auch auf der Verbraucherseite. Als wei­te­re Maßnahme wird die Einführung einer CO2-Bepreisung über alle Sektoren hin­weg empfohlen.

8. Fazit

Die aus­zugs­wei­se Betrachtung der Studie “Energieaufwand für ver­schie­de­ne Gebäudekonzepte im Lebenszyklus” zeigt eine hohe Bedeutung der loka­len Stromerzeugung mit einer Photovoltaikanlage. Neben einer effi­zi­en­ten Gebäudehülle und moder­ner Anlagentechnik nach dem Standard EnEV 2016 gehört die dezen­tra­le Stromerzeugung mit einer PV-Anlage und Eigenstromnutzung zu den effi­zi­en­tes­ten Maßnahmen um die Klimaziele im Gebäudesektor zu errei­chen. Damit ist die stär­ke­re Berücksichtigung von Photovoltaikanlagen im Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz der rich­ti­ge Weg.

Mieterstrom bie­tet, nach Angaben der Studie, die Möglichkeit kos­ten­neu­tral zur mas­si­ven Senkung des Energieaufwands bei­zu­tra­gen. Die Umsetzung soll­te aber auch in Quartieren mög­lich sein, um allen Mieter*innen die Teilnahme zu ermög­li­chen. Eine wei­te­re Option ist die Sektorenkopplung für die Bereitstellung von Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität.

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Erfahrender Energieblogger mit hohem Interesse, die Energiewende mit inno­va­ti­ven Technologien und Geschäftsmodellen vor­an­zu­brin­gen. Experte für Gebäudeenergie mit dem Hintergrund als Dipl.-Ing.(FH) Bauphysik.

Andreas KühlEhemaliger Content-Creator bei SOLARIMOEnergynet-Portal für Energieeffizienz und erneu­er­ba­re Energien

Zuletzt bear­bei­tet: 27.02.2020

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