Mieterstrom in der Energiewende — ein Interview

mit Wilhelm Schröder, PV- und Mieterstrom-Experte der Energieagentur NRW

Als eine his­to­risch bedeu­ten­de Energieregion trägt Nordrhein-Westfalen große Verantwortung für die Energiewende und für den Klimaschutz all­ge­mein. Mehr als acht Millionen Haushalte wol­len eine zuver­läs­si­ge und sau­be­re Stromversorgung. Daher ist ein Ausbau der erneu­er­ba­ren Energien zwin­gend not­wen­dig. Gerade die Photovoltaik bie­tet sich für einen dezen­tra­len und ver­brau­cher­na­hen Ausbau an. Über die Erfahrungen mit Photovoltaik und Mieterstrom in NRW haben wir Wilhelm Schröder, Senior-Experte im Themengebiet Photovoltaik und Mieterstrom, befragt.

Interview mit Wilhelm Schröder von der Energieagentur NRW

Welche Bedeutung hat Solarstrom für Energiewende und Klimaschutz?

Die bei­den zen­tra­len Säulen für eine koh­len­stoff­freie Energie‑, respek­ti­ve Stromerzeugung sind Photovoltaik und Windenergie, sinn­voll ergänzt um Biomasse, Geothermie und Wasserkraft. Auch die Wasserstofftechnologie wird eine wich­ti­ge Rolle spie­len. In der Umstellungsphase von fos­sil auf erneu­er­bar sind auch hoch­ef­fi­zi­en­te KWK-Anlagen mit den ent­spre­chen­den Wärmenetzen eine Option. Bis 2030 soll auf der Grundlage der Energieversorgungsstrategie der Landesregierung NRW die vor­han­de­ne instal­lier­te Leistung im Bereich der Photovoltaik auf 11,5 Gigawatt und im Bereich der Windenergie auf 10,5 Gigawatt ver­dop­pelt werden.

Welche Erfahrungen haben Sie in NRW mit Mieterstrom-Projekten gemacht und wie sehen diese aus?

Als das Thema Mieterstrom vor fast vier Jahren mehr in die ener­gie­po­li­ti­sche Diskussion Einzug gehal­ten hat und die ers­ten Projekte rea­li­siert wur­den, konn­te man eine gewis­se Aufbruchstimmung fest­stel­len. Schnell muss­te man jedoch auch regis­trie­ren, dass die Hürden, die es zu über­win­den galt, nicht im ener­gie­tech­ni­schen, son­dern vor allem im ener­gie­recht­li­chen (bis hin zum Mess- und Eichrecht) und auch im steu­er­recht­li­chen Bereich lagen — und ja lei­der auch immer noch lie­gen. Immerhin kön­nen wir fest­stel­len, dass das Summenzählermodell als Messkonzept inzwi­schen fast immer ohne län­ge­re Diskussionen von den Verteilnetzbetreibern akzep­tiert wird. Auch dort hat ein gewis­ser Lern- und Umdenkungsprozess stattgefunden.

Umso bemer­kens­wer­ter ist es, dass trotz die­ser Hürden inzwi­schen doch eine Vielzahl von Projekten rea­li­siert wur­den, die meis­ten im Neubau. Doch auch eini­ge davon in Bestandsgebäuden. Dies ist vor allem Start-up-Unternehmen wie SOLARIMO und ande­ren wie z.B. pro­sum­er­gy GmbH, Polarstern GmbH und den NRW-Unternehmen EINHUNDERT Energie GmbH, den Energiegewinnern eG und Naturstrom AG zu ver­dan­ken. Nicht zu ver­ges­sen — und aus mei­ner Sicht einer der wich­tigs­ten Akteure — die das Thema publik gemacht haben, ist die Heidelberger Energiegenossenschaft. Auch Stadtwerke haben sich des Themas ange­nom­men und in vie­len Kommunen in NRW zumin­dest erste Pilotprojekte realisiert.

Neubau bietet die Möglichkeit dezentrale Stromerzeugung direkt einzuplanen

Wie auf­ge­schlos­sen oder wie inter­es­siert sind Wohnungsunternehmen in NRW an dem Thema Mieterstrom?

Auch hier ist nach der ers­ten Begeisterung für das Thema ein gewis­ser Pragmatismus — bes­ser eine Ernüchterung — ein­ge­zo­gen. Allein die Tatsache, dass man als AnbieterIn von Mieterstrom zum Elektrizitätsverteilungsunternehmen wird und somit ener­gie­recht­li­che und steu­er­recht­li­che Verpflichtungen zu erfül­len hat, hat viele Unternehmen abge­schreckt. Ebenso die Tatsache, dass kör­per­schafts­steu­er­li­che Vorteile von Wohnungsbauunternehmen durch den Verkauf von Mieterstrom infra­ge gestellt sind. Auch ist fest­zu­stel­len, dass sich die Unternehmen drei­mal über­le­gen, einen Dritten, also einen Anbieter von Mieterstrom auf die Dächer zu las­sen, manch­mal nach dem Motto: ent­we­der kann und mach ich das Projekt selbst (und ver­die­ne auch etwas Geld damit) oder ich lasse es ganz bleiben.

Dabei ist zu unter­schei­den zwi­schen Projekten, die im Bestand umge­setzt wer­den könn­ten und den Neubauvorhaben. Bei die­sen ist es oft leich­ter, Bauverantwortliche oder die Wohnungswirtschaft für das Thema zu begeis­tern. Denn hier kann von der Planungsseite her von vorn­her­ein die gesam­te Technik inkl. der Mess- und Zähleinrichtungen mit ein­ge­plant wer­den. Auch der Aspekt der KfW-Förderungen, bei deren Inanspruchnahme eine dezen­tra­le Energieerzeugung erfor­der­lich ist, ist nicht außer Acht zu lassen.

Sind die steu­er­li­chen und regu­la­to­ri­schen Hürden das große Hindernis für die Wohnungsunternehmen?

Wie gesagt, diese Hürden exis­tie­ren; jedoch würde mei­ner Einschätzung nach „die“ Wohnungswirtschaft – die sowie­so nicht zu ver­all­ge­mei­nern ist — selbst bei „nied­ri­ge­ren und/oder gar kei­nen“ Hürden nicht uni­so­no zu Anbietern von Mieterstrom wer­den. Dies hängt sehr mit der jewei­li­gen Unternehmensphilosophie (Stichwort Kerngeschäft) und auch den mög­li­chen Renditeerwartungen zusam­men. Ein gewis­ser Aufwand bleibt außer­dem, trotz der Hürdenreduzierung, immer bestehen.

Stellschrauben für bezahlbaren Wohnraum liegen an der Miete und an Stromkosten

Ist Mieterstrom eine Möglichkeit zur Verbindung von Klimaschutz und bezahl­ba­rem Wohnen?

Sicher ist jeder Euro, den ich für meine Stromrechnung weni­ger bezah­le, für Mieter*innen von Vorteil. Jedoch darf hier nicht unbe­ach­tet blei­ben, dass die Mietkosten einen bedeu­tend höhe­ren Anteil an den Gesamtkosten für das Wohnen haben, als die Energiekosten bzw. auch die Stromkosten. Die Stromkosten machen einen Anteil von ca. zwei bis drei Prozent an den Gesamtausgaben eines Privathaushaltes aus. Hingegen sind für die Miete inklu­si­ve Nebenkosten und Heizung im Durchschnitt knapp 30 Prozent zu ver­an­schla­gen (Quelle: Agentur für Erneuerbare Energien). Daran sieht man, die Stellschrauben für bezahl­ba­ren Wohnraum lie­gen auch an den Stromkosten, in ers­ter Linie jedoch an der Miete selbst.

Welches Potenzial hat Mieterstrom aus Ihrer Sicht?

Im Rahmen einer zuneh­men­den Diskussion um die Entwicklung von Quartieren und auch bei der Umsetzung von Neubauprojekten sehe ich ein gro­ßes Potenzial für Mieterstromprojekte. Wenn denn die Regularien ver­ein­facht wer­den. In die­sem Zusammenhang wird es auch inter­es­sant sein, inwie­weit die Vorgaben der EU (Erneuerbare Energie Richtlinie) zum Prosuming bzw. zur dezen­tra­len Erzeugung und zum dezen­tra­len Verbrauch von erneu­er­ba­rem Strom in deut­sches Recht umge­setzt wer­den. Die Diskussion um die Höhe und Zusammensetzung der Strompreise (wie Stromsteuer; EEG-Umlage; Netzentgelte) wird eben­falls Einfluss auf die Umsetzung von Mieterstromprojekten haben.

Riskieren wir einen Blick in die Glaskugel: Wie sieht die Energieversorgung von Gebäuden in 20 Jahren aus?

Bei den Neubauten ist jedes Gebäude bzw. jedes Quartier ener­gie­neu­tral. Besser noch: sie erzie­len ein Plus an Energie! Das Plus wird dann z.B. in der Elektromobilität ein­ge­setzt. Auch in den Wohnungsbeständen hat es wei­te­re Einsparungen gege­ben. Beides ist vor allem des­halb gelun­gen, weil es durch die Änderungen von Gesetzen und Verordnungen (wie z.B. einer Solarpflicht bei Neubauten und Sanierungen) mehr Bewegung und Antrieb gege­ben hat. Gleichzeitig hat auch die poli­ti­sche Auseinandersetzung um die Daseinsvorsorge und um bezahl­ba­ren Wohnraum dazu geführt, dass sich der Wohnungsmarkt gera­de in den Städten mit Bevölkerungszuwachs wie­der ent­spannt hat.

Interesse an Mieterstrom geweckt?

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Erfahrender Energieblogger mit hohem Interesse, die Energiewende mit inno­va­ti­ven Technologien und Geschäftsmodellen vor­an­zu­brin­gen. Experte für Gebäudeenergie mit dem Hintergrund als Dipl.-Ing.(FH) Bauphysik.

Andreas KühlEhemaliger Content-Creator bei SOLARIMOEnergynet-Portal für Energieeffizienz und erneu­er­ba­re Energien

Zuletzt bear­bei­tet: 26.04.2020

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