Photovoltaik in der Architektur

zwi­schen Gebäudetechnik und Gestaltung

Ein Gastbeitrag von Dr. Burkard Schulze-Darup

Wir schau­ten uns zunächst amü­siert aber zugleich erstaunt an, als ein Kollege frag­te: „Was ist Photovoltaik für euch – Gebäudetechnik oder Gestaltungselement?“ Coronagerecht saßen wir in einem Biergarten mit aus­rei­chend Abstand bei­sam­men und lie­ßen die Diskussionen eines ereig­nis­rei­chen Tages nach­schwin­gen. Die Preissitzung eines Architekturwettbewerbes lag hin­ter uns. Den gan­zen Tag hatte es einen mit­un­ter grenz­wer­tig inten­si­ven argu­men­ta­ti­ven Schlagabtausch gege­ben, über gestal­te­ri­sche Einschätzungen, Empfindungen und Architekturverständnis. Wie immer lief das Ganze aus­ge­spro­chen distin­gu­iert ab. Niemals würde in solch heh­ren Runden jemand laut wer­den. Aber die Argumente zur Qualität der Entwürfe, Funktionalität, Wirtschaftlichkeit und natür­lich zu den Klimaschutzaspekten waren bis­wei­len wie mit dem spit­zen Florett ser­viert worden.

  1. Hohe Gebäudeeffizienz ist Standard, aber die Photovoltaik?
  2. Photovoltaikmodule als Mittel hoch­wer­ti­ger Architektur
  3. Erneuerbare Energien sind eine Investition in die Zukunft
  4. Gebäudetechnik mit PV und Wärmepumpen ist klei­ner und weni­ger anfällig
  5. Über Herrn Dr. Schulze-Darup

Auch heute war es wie­der so gewe­sen, dass wir inten­siv darum gerun­gen hat­ten, wel­che der guten Entwürfe tat­säch­lich nach­hal­tig waren – und wel­chen nach Fertigstellung die Attitüde auf­ge­stem­pelt wor­den war. Inzwischen gab es nur noch weni­ge Wettbewerbsarchitekt*innen, die nicht von einem Grundkonsens hoher Gebäudeeffizienz aus­gin­gen. Die U‑Wert-Listen oder ein­gän­gi­gen Beschreibungen des KfW EH 40- oder Passivhaus-Standards waren eben­so Standard, wie die durch­weg guten Konstruktionsdetails mit tech­nisch und gestal­te­risch gut gelös­ten hohen Dämmdicken.

1. Hohe Gebäudeeffizienz ist Standard, aber die Photovoltaik?

Lässt sich die PV-Frage nach der heu­ti­gen Sitzung nicht ein­fach beant­wor­ten? Die Wettbewerbsgewinner*innen haben es doch wun­der­bar gelöst…“

… vor allem Nummer 1052!“ ein­hel­li­ges Gelächter in der Runde. Das war der Entwurf, der weit nach vorne gekom­men war, obwohl die PV-Elemente offen­sicht­lich in der letz­ten Nachtsitzung mit Gewalt in das archi­tek­to­ni­sche Konzept gezwängt wor­den waren.

Klar! Aber alle ande­ren Entwürfe auf den ers­ten Plätzen wei­sen her­vor­ra­gen­de gestal­te­ri­sche Ansätze auf. Im Dachbereich wur­den die Photovoltaikmodule flä­chig inte­griert und ein Teil der Entwürfe wies eine hoch­wer­ti­ge Fassadengestaltung mit inte­grier­ten Photovoltaikmodulen auf, wobei ein­zel­ne Architekt*innen bereits die Rastermaße von Standardmodulen berück­sich­tigt hat­ten.“ F. geriet ins Dozieren. „Und? Was ist PV jetzt: Gebäudetechnik oder Gestaltung?“

2. Photovoltaikmodule als Mittel hochwertiger Architektur

Die Antwort war in die­ser Runde völ­lig klar. „Gestaltungswirksame Gebäudetechnik…!“ Die sich anschlie­ßen­de Diskussion zeig­te sehr deut­lich auf, dass wir uns an der Schwelle befin­den, PV-Module als Mittel hoch­wer­ti­ger Architektur zu nut­zen. Vorbei sind die Zeiten, extrem teure Absorber mit auf­wän­di­gen und häss­li­chen Unterkonstruktionen oder gar als son­nen­nach­ge­führ­te Segel auf den Dächern zu instal­lie­ren, um jede nur mög­li­che Kilowattstunde ein­zu­sam­meln. Die Quadratmeterpreise von PV-Elementen lie­gen nied­ri­ger als die für hoch­wer­ti­ge Fassadenbekleidungen. Noch kon­zen­trie­ren sich die Planer*innen auf die Nutzung der Dachflächen. Aber es ist nur noch ein klei­ner Schritt, bis fas­sa­den­in­te­grier­te Systeme kon­kur­renz­fä­hig werden.

Die Diskussion nach der Wettbewerbssitzung zeig­te aller­dings die Notwendigkeit auf, bereits bei der Grundlagenermittlung und in den ers­ten Vorentwurfsstadien die Anforderungen erneu­er­ba­rer Systeme und deren gebäu­de­tech­ni­sche Wirksamkeit ein­zu­be­zie­hen. Das erfor­dert ent­we­der Architekturgeneralisten mit viel Wissen um rege­ne­ra­ti­ve Gebäudetechnik oder erfolg­reich agie­ren­de inte­gra­le Planungsteams ab der ers­ten Leistungsphase. Hochwertige Planungen ermög­li­chen nicht nur die PV-Integration als gestal­te­ri­sche Chance, son­dern füh­ren zu einer hoch­wer­ti­gen lang­fris­ti­gen Wirtschaftlichkeit.

Das Gegenmodell ist dage­gen nach wie vor gän­gig. Architekt*innen erstel­len den Entwurf, der Bauherr oder die Bauherrin gibt nach eini­gen Änderungsrunden den Segen und erst dann kom­men Energieberater*innen, Gebäudetechniker*innen und bei kom­ple­xen Gebäuden wei­te­re Fachingenieur*innen und machen das Beste draus. Hinsichtlich der PV-Planung geht es ein­zig um die Frage „Wieviel passt aufs Dach?“ Kurzum: PV als eher läs­ti­ge Gebäudetechnik.

Die grund­le­gen­de Feststellung lau­tet aller­dings: Solange Klimaschutz als not­wen­di­ges Übel bei der Planung gese­hen wird und nur ambi­tio­nier­te Planer*innen gute Lösungen – meist mit erhöh­tem Überzeugungs- und Planungsaufwand – umset­zen, machen die Erneuerbaren keine wirk­li­che Freude. Die Hemmnisse ken­nen wir alle: vor allem sind es Entscheider*innen, die nur auf den Invest schau­en und weder Bewusstsein noch Wissen zu Lebenszyklusbilanzen aufweisen.

3. Erneuerbare Energien sind eine Investition in die Zukunft

Diese Sichtweise ist nur vor­der­grün­dig erfolg­reich, vor allem aber kurz­sich­tig. Bei den Erneuerbaren han­delt es sich um eine echte Investition in die Zukunft. Zwar wird ein Mehrpreis bei der Errichtung des Gebäudes gezahlt, dafür aber wäh­rend der lan­gen Nutzungszeit ein­ge­spart oder sogar kas­siert. Die Lebenszyklusbetrachtung zeigt, dass sich die anfäng­li­chen Mehrinvestitionen mit hoher Rentierlichkeit zurückzahlen.

Allerdings stel­len Rahmenbedingungen und Abwicklungsmodalitäten der­zeit noch eine gewis­se Herausforderung dar, sodass ver­sier­te Planer*innen äußerst hilf­reich sind. Es gibt zahl­rei­che Modelle, wie die beschrie­be­nen wirt­schaft­li­chen Chancen bereits heute erfolg­reich geho­ben wer­den kön­nen. Hilfreich wäre aller­dings, wenn sei­tens der poli­ti­schen Entscheidungsträger*innen die Rahmenbedingungen auch für nicht so erfah­re­ne Marktteilnehmer*innen ver­bes­sert und ver­ein­facht wer­den könn­ten. Das gilt sowohl für die Fortentwicklung des GEG als auch hin­sicht­lich des Mieterstromfördergesetzes, das nicht mehr wie bis­her kon­tra­pro­duk­tiv wir­ken soll­te, son­dern so umge­stal­tet wird, dass es sei­nem Namen gerecht wird.

4. Gebäudetechnik mit PV und Wärmepumpen ist kleiner und weniger anfällig

Uns Architekt*innen ist sehr bewusst, dass es unse­re ori­gi­nä­re Aufgabe ist, Photovoltaik mit hoher gestal­te­ri­scher, gebäu­de­tech­ni­scher und wirt­schaft­li­cher Qualität in die Siedlungsstrukturen zu inte­grie­ren. Das ist eine Herausforderung, für die wir nur bedingt aus­ge­bil­det sind, die aber in den nächs­ten Jahren zur Selbstverständlichkeit wird. Wie bei vie­len inno­va­ti­ven Ansätzen geht es ums Learning by doing. Die ers­ten ein, zwei Projekte sind müh­sam. Dann fängt es aber an, Spaß zu machen.

Alle Kolleg*innen, die sich ein­ge­ar­bei­tet haben, stel­len fest, dass die „neuen“ erneu­er­ba­ren Gebäudetechniksysteme z.B. mit PV und Wärmepumpen, sehr viel ein­fa­cher, „klei­ner“ und weni­ger anfäl­lig sind als manch kom­ple­xe Versorgungskonzepte der Vergangenheit. In Verbindung mit einer ener­gie­ef­fi­zi­en­ten Gebäudehülle lie­gen die Bedarfswerte für Heizen und Warmwasserbereitung plötz­lich deut­lich unter denen des Haushaltsstroms. Außerdem errei­chen wir Plusenergiebilanzen, durch die wir nicht nur effek­ti­ven Klimaschutz betrei­ben, son­dern auch für lang­fris­tig nied­ri­ge Wohnkosten sor­gen. Wie bereits erwähnt: die beste Investition in die Zukunft.

5. Über Herrn Dr. Schulze-Darup

Dr. Schulze Darup ist frei­schaf­fen­der Architekt und Stadtplaner. Seine Tätigkeitsschwerpunkte lie­gen in der Durchführung und Begleitung von Sanierungs- und Neubauprojekten im Bereich des nach­hal­ti­gen und ener­gie­ef­fi­zi­en­ten Bauens, v.a. die Erzielung von Plusenergie-Konzepten und die Übertragung inno­va­ti­ver Neubautechnik auf den Bestand unter Bewahrung der Baukultur. Dabei haben städ­te­bau­li­che Fragen und Quartierskonzepte zuneh­mend eine große Bedeutung, unter Einbeziehung inno­va­ti­ver Versorgungslösungen und den Chancen neuer Mobilitätskonzepte. Darüber hin­aus beschäf­tigt er sich — neben zahl­rei­chen Forschungsvorhaben und Veröffentlichungen in den letz­ten Jahren — mit der Fragestellung, wie unser Gebäudebestand bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität errei­chen kann.

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Erfahrender Energieblogger mit hohem Interesse, die Energiewende mit inno­va­ti­ven Technologien und Geschäftsmodellen vor­an­zu­brin­gen. Experte für Gebäudeenergie mit dem Hintergrund als Dipl.-Ing.(FH) Bauphysik.

Andreas KühlEhemaliger Content-Creator bei SOLARIMOEnergynet-Portal für Energieeffizienz und erneu­er­ba­re Energien

Zuletzt bear­bei­tet: 22.09.2020

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