Künftig haben Photovoltaikanlagen auf oder an Gebäuden einen größeren Einfluss auf die energetische Beurteilung der Gebäude. Das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) bietet PlanerInnen die Möglichkeit, den geforderten Anteil der erneuerbaren Energien auch mit gebäudenah erzeugtem Strom zu decken. Damit sind künftig alle Vorschriften für die Energieeffizienz von Gebäuden unter dem Dach dieses Gebäudeenergiegesetzes.
Der Bundestag hat den Entwurf der Bundesregierung mit Änderungen des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am 18.06.2020 beschlossen.Am 03.07.2020 folgte die Entscheidung im Bundesrat. Voraussichtlich zum Oktober 2020 soll es dann in Kraft treten. Wir zeigen in folgendem Text die wichtigsten Änderungen und welche Rolle die Photovoltaik darin spielt.
- Rückblick auf Vorschriften für Energieeffizienz in Gebäuden
- Alle Vorschriften für energieeffiziente Gebäude in einem Gesetz
- Anforderungen im Gebäudeenergiegesetz
- Auswirkung des GEG auf Mieterstrom-Projekte
- Update 17.12.2019
- Update 08.01.2020
- Update 20.02.2020
- Update 19.06.2020
1. Rückblick auf Vorschriften für Energieeffizienz in Gebäuden
Die Energieeffizienz von Gebäuden hat sich in den letzten 40 Jahren stetig weiterentwickelt. Begonnen hat es mit der Ölkrise in den späten 70er Jahren. Daraufhin wurde 1977 die erste Wärmeschutzverordnung erlassen, welche Anforderungen an den maximal zulässigen Wärmeverlust einzelner Außenbauteile wie Wand, Dach und Fenster, festgelegt hat. Bei der Novellierung 1984 änderten sich nur die Höchstwerte für den Wärmeverlust der einzelnen Bauteile.
Erst seit dem Jahr 1995 gibt es eine Bilanzierung von Wärmeverlusten- und gewinnen des gesamten Gebäudes. Von den Verlusten durch die Gebäudehülle und die Lüftung wurden die Gewinne aus solarer Einstrahlung über die Fenster, sowie die internen Gewinne abgezogen.
Erst seit 2002 spielen die Effizienz der Heizungsanlage und die Art des Energieträgers eine Rolle. Mit der Energieeinsparverordnung, kurz EnEV, kamen auch Wärmeverluste der Wärmeerzeugung und Trinkwassererwärmung, sowie die Hilfsenergie für die Anlagentechnik, zur Ermittlung des Endenergiebedarfs eines Gebäudes hinzu. Die Anforderungen in der EnEV gelten jedoch für den Primärenergiebedarf. Dieser wird über den Endenergiebedarf und einem Primärenergiefaktor für den Energieträger berechnet. Als zusätzliche Anforderung ist ein Höchstwert für den Wärmeverlust über die Gebäudehülle festgelegt.
Im Jahr 2009 wurde eine zusätzliche Vorschrift eingeführt, mit dem Ziel den Anteil erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung von Gebäuden zu erhöhen. Das Erneuerbare Energien Wärme-Gesetz (EEWärmeG) verpflichtet BauherrInnen den Wärmebedarf im Neubau anteilig mit erneuerbaren Energien zu decken. Diese Pflicht können sie z.B. mit Solarwärme, Biomasse, Geothermie oder einer höheren Effizienz des Gebäudes decken. Mit dem Einbau einer Photovoltaikanlage können sie diese Vorgabe jedoch nicht erfüllen.
2. Alle Vorschriften für energieeffiziente Gebäude in einem Gesetz
Mit dem neuen Gebäudeenergiegesetz fasst die Bundesregierung alle Vorschriften für die Energieeffizienz von Gebäuden in einem Gesetz zusammen. Dazu gehört das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), das die rechtliche Grundlage der Energieeinsparverordnung bildet, und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz.
Das Ziel des Gebäudeenergiegesetzes ist es zum einen, die Vorschriften zu vereinfachen und zum anderen die EU-Gebäuderichtlinie zu erfüllen. Diese fordert die Einführung eines Niedrigstenergiestandards für alle Neubauten. Ab 2021 für privatwirtschaftliche Gebäude und bereits seit 2019 für öffentliche Gebäude. Die Umsetzung und genaue Definition des Standards bleibt den Mitgliedsstaaten überlassen.
Das Gebäudeenergiegesetz ermöglicht einheitliche Anforderungen für die Gebäude-Energieeffizienz und für erneuerbare Energien in Gebäuden. Es soll den Primärenergiebedarf von Gebäuden durch einen hohen Wärmeschutz gering halten. Der verbleibende Energiebedarf soll zunehmend durch erneuerbare Energien gedeckt werden.
3. Anforderungen im Gebäudeenergiegesetz
Mit dem “Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden”, so der volle Name des Gebäudeenergiegesetzes, bleiben die bestehenden Anforderungen erhalten. Dies bedeutet, dass die bisherigen Anforderung der EnEV, gültig seit 2016, hinsichtlich Jahres-Primärenergiebedarf und baulichem Wärmeschutz weiterhin bestehen bleiben. Ebenso bleibt der geforderte Anteil an erneuerbaren Energien zur Deckung des Wärmebedarfs in Gebäuden, bisher definiert im “Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz”, unverändert.
Damit definiert die Bundesregierung den aktuellen Standard für die Gebäudeenergieeffizienz als den von der EU-Gebäuderichtlinie geforderten Niedrigstenergiestandard.
Vorbildwirkung der öffentlichen Hand
Seit dem Beschluss des Bundestages ist in § 4, der die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand regelt, ein neuer Absatz 2 enthalten. Dieser fordert bei der Errichtung oder grundlegenden Renovierung von Nichtwohngebäuden die Prüfung, ob und in welchem Umfang Erträge aus Photovoltaik oder Solarthermie erzielt und genutzt werden können.
Neue Bedeutung von gebäudenah erzeugtem Solarstrom
Der geforderte Anteil von erneuerbaren Energien zur Deckung des Wärme- und Kältebedarfs bleibt unverändert. Es gibt jedoch zwei wesentliche Neuerungen für Strom aus erneuerbaren Energien. Zum einen kann Strom aus erneuerbaren Energien, wie z.B. aus einer Photovoltaikanlage, den errechneten Jahres-Primärenergiebedarfs weiter reduzieren als noch in der EnEV. Hinzu kommt die neue Möglichkeit den Solarstrom für den geforderten Anteil von erneuerbaren Energien zu berücksichtigen.
Anrechnung von Solarstrom auf den Jahres-Primärenergiebedarf
Strom aus erneuerbaren Energien darf nach dem Gebäudeenergiegesetz vom errechneten Jahres-Primärenergiebedarf abgezogen werden (§ 23). Dieser muss im unmittelbar räumlichen Zusammenhang zum Gebäude erzeugt werden. Der Verbrauch des Stroms muss unmittelbar nach der Erzeugung oder nach einer vorübergehenden Speicherung erfolgen. Nur die überschüssige Strommenge darf in das öffentliche Netz eingespeist werden.
Die Höhe des Abzugs vom errechneten Jahres-Primärenergiebedarfs setzt sich aus zwei Faktoren zusammen. Je Kilowatt installierter Nennleistung dürfen pauschal 150 Kilowattstunden vom errechneten Jahres-Primärenergiebedarf abgezogen werden. Beim Einsatz eines Batteriespeichers erhöht sich der Wert auf 200 kWh. Zusätzlich dürfen 70 Prozent des elektrischen Energiebedarfs der Anlagentechnik abgezogen werden, bei Einsatz eines Batteriespeichers erhöht sich der Wert auf 100 Prozent. Dies gilt ab einer Nennleistung in Kilowatt in Höhe des 0,03-fachen der Gebäudenutzfläche, geteilt durch die Anzahl der beheizten oder gekühlten Geschosse nach DIN V 18599–1:2018–09.
Der maximale Wert, der abgezogen werden darf, beträgt 30, bzw. 45 Prozent des errechneten Wertes für den Jahres-Primärenergiebedarf.
|
ohne Batteriespeicher |
mit Batteriespeicher |
Abzug vom Jahres-Primärenergiebedarf |
150 kWh je kW inst. Leistung |
200 kWh je kW inst. Leistung |
zusätzlich ab einer Nennleistung in kW in Höhe des 0,03-fachen der Gebäudenutzfläche, geteilt durch die Anzahl der beheizten oder gekühlten Geschosse |
70% des elektrischen Endenergiebedarfs der Anlagentechnik |
100% des elektrischen Endenergiebedarfs der Anlagentechnik |
Maximaler Abzug vom Jahres-Primärenergiebedarf |
30% des errechneten Jahres-Primärenergiebedarfs |
45% des errechneten Jahres-Primärenergiebedarfs |
Nutzung von Solarstrom zur Deckung des Wärme- und Kälteenergiebedarfs
Das Gebäudeenergiegesetz gibt vor, dass der Bedarf für Wärme- und Kälteenergie anteilig zu 15 Prozent durch erneuerbare Energien gedeckt werden muss. Eine Kombination von mehreren Technologien ist zulässig. Diese Forderung darf, neben anderen Technologien, auch mit Strom aus erneuerbaren Energien (§ 36) erfüllt werden. Bei Photovoltaikanlagen reicht für das Erreichen der 15 Prozentmarke eine Nennleistung, die in Kilowatt mindestens das 0,03-fache der Gebäudenutzfläche, geteilt durch die Anzahl der beheizten oder gekühlten Geschosse nach DIN V 18599–1:2018–09, beträgt.
Heizkessel mit Öl nach 2026 noch zulässig in Verbindung mit EE
Im Gegensatz zum Erneuerbare-Wärme-Gesetz in Baden-Württemberg enthält das Gebäudeenergiegesetz keine Pflicht zum Einsatz von erneuerbaren Energien beim Tausch einer Heizung. Nur der Einbau von Ölheizkesseln ist ab dem Jahr 2026 nur noch unter bestimmten Bedingungen zulässig. Dazu gehört, dass der Wärme- und Kältebedarf analog zu einem Neubau anteilig mit erneuerbaren Energien gedeckt wird.
Aus Gründen des Klimaschutzes wird SOLARIMO nicht an Projekten mitwirken, bei denen der Einbau einer Ölheizung durch Installation einer PV-Anlage ermöglicht wird.
4. Auswirkung des GEG auf Mieterstrom-Projekte
Eine direkte Erwähnung von Mieterstrom findet sich nicht im neuen Gebäudeenergiegesetz. Dennoch kann es sich sehr positiv auf die Entwicklung von Mieterstrom-Projekten auswirken.
Photovoltaikanlagen lassen sich jetzt als erneuerbare Energie zur Deckung des Wärme- und Kältebedarfs anrechnen. Darüber hinaus lässt sich der Jahres-Primärenergiebedarf deutlich reduzieren durch Strom aus Photovoltaikanlagen. Dieser muss im unmittelbar räumlichen Zusammenhang zum Gebäude erzeugt werden. Zusätzlich muss der Strom vorrangig im Gebäude unmittelbar nach der Erzeugung oder über einen Stromspeicher selbst genutzt werden. Nur der überschüssige Strom darf in das öffentliche Netz eingespeist werden.
Diese Forderung nach einem lokalen Verbrauch des Stroms bedeutet im Geschosswohnungsbau, dass der erzeugte Strom an die MieterInnen oder Wohnungsnutzer*innen für die Nutzung in den Haushalten als Mieterstrom verkauft werden muss.
Das Gebäudeenergiegesetz verfolgt das Ziel, den Energiebedarf zu minimieren und den restlichen Bedarf mit erneuerbaren Energien möglichst weitgehend zu decken. An der Reduzierung des Bedarfs hat sich im Vergleich zur Energieeinsparverordnung nichts verändert. Doch der Einsatz von erneuerbaren Energien ist attraktiver und unterstützt indirekt das Mieterstrom-Modell mit dem lokalen Verbrauch des Stroms aus erneuerbaren Energien.
5. Update 17.12.2019
Nach Beschluss im Bundeskabinett geht im Dezember der Prozess für das Gebäudeenergiegesetz weiter. Im aktuellen Zeitplan ist nach Angaben von enev-online.de vorgesehen, dass das Gesetz zum 01.07.2020 in Kraft tritt. Den nächsten Schritt macht der Bundesrat mit einer ersten Lesung am 20. Dezember 2019. Der Bundestag folgt am 30. Januar 2020. Daraufhin folgt eine Beratung in den Ausschüssen, bevor das Gesetz zur 2. Lesung im Bundestag am 13. März und im Bundesrat am 03. April geht.
Ausschüsse empfehlen höhere Standards für Neubau und Bestand
Für die 1. Lesung im Bundesrat, am 20.12.2019, haben die zuständigen Ausschüsse zum Gesetzentwurf Stellung genommen und einige Änderungen empfohlen. Sie kritisieren insbesondere die fehlende Wirkung für den Klimaschutz. Der Entwurf sei nur eine Zusammenführung bestehender Gesetze und erreiche nicht die angestrebte Vereinfachung. Eine Verfehlung der Klimaschutzziele führe zu massiven Mehrkosten für den Bund. Diese Mittel sollten eher für die Ertüchtigung des Gebäudebestandes verwendet werden.
Um einen klimaneutralen Gebäudebestand im Jahr 2050 zu erreichen, wie die Bundesregierung im Klimaschutzplan beschlossen hat, ist bereits heute ein zielführender Standard im Neubau erforderlich. Daher fordern die Ausschüsse im Bundesrat im Gebäudebestand den KfW Effizienzhaus-55 Standard, als Ziel für Sanierungen zu definieren. Im Neubau fordern sie die Festsetzung dieses Standards ab 2021 und eine Verschärfung ab 2030 auf den Standard des KfW Effizienzhaus 40.
Höhere Anforderungen für die Anrechnung von Photovoltaik
Die Ausschüsse des Bundesrats fordern bei der Anrechnung von Solarstrom eine Verdopplung des Wertes für den Abzug vom Jahres-Primärenergiebedarf. Dieser soll sich auf 400 kWh je kW installierter Nennleistung erhöhen.
Damit Strom aus erneuerbaren Energien zur anteiligen Deckung des Wärme- und Kälteenergiebedarfs anrechenbar ist, empfehlen die Ausschüsse eine Leistung von mindestens 0,03 kW je Quadratmeter Gebäudenutzfläche. Bisher sind im Entwurf 0,02 kW vorgesehen. Darüber hinaus empfehlen sie die Nutzung des Stroms zur anteiligen Deckung des Wärme- und Kälteenergiebedarfs, sowie einen Batteriespeicher von mindestens 1 Kilowattstunde Nennkapazität je Kilowatt installierter Nennleistung der Erzeugungsanlage.
6. Update 08.01.2020
In der Sitzung am 20. Dezember 2019 hat der Bundesrat eine Stellungnahme zum Entwurf für das Gebäudeenergiegesetz beschlossen. Diese enthält einige Änderungswünsche zum Entwurf des Bundeskabinetts. Unter diesen Wünschen sind zwei enthalten, die sich mit der Anrechnung und Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien beschäftigen.
Die Anrechnung von Strom aus erneuerbaren Energien für den Jahres-Primärenergiebedarf nach § 23 soll nicht zulässig sein bei der Nutzung von Stromdirektheizungen. Eine Ausnahme ist nur möglich, wenn der Jahres-Heizwärmebedarf nicht mehr als 15 kWh/m²a beträgt und ein Batteriespeicher eingebaut wird.
Bei der Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien nach § 36 fordert der Bundesrat bei Photovoltaikanlagen eine größere Nennleistung als Mindestwert. Die Anlagen müssten mit einer Nennleistung von mindestens 0,03 (bisher 0,02) Kilowatt je Quadratmeter Gebäudenutzfläche installiert und betrieben werden.
7. Update 20.02.2020
Anfang Februar hat sich die Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates mit Änderungsvorschlägen zum Gebäudeenergiegesetz geäußert. Zu den Vorschlägen des Bundesrates gehörte die Einschränkung in § 23, Strom aus erneuerbaren Energien bei der Nutzung in Stromdirektheizungen nicht anzurechnen. Diese Forderung lehnt die Bundesregierung ebenso ab wie eine höhere Nennleistung bei Photovoltaikanlagen in § 36 als Mindestwert für die Auslegung.
Es soll nach Angaben von MitarbeiterInnen des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat noch weitere Änderungen am aktuellen Entwurf geben. Daher ist mit einer weiteren Verzögerung für das Inkrafttreten des GEG zu rechnen.
8. Update 19.06.2020
Der Bundestag hat das Gesetz mit einigen Änderungen beschlossen. Diese sind im Text fett dargestellt.
- Vorbildwirkung der öffentlichen Hand: Prüfung von PV bei Neubauten und Sanierungen
- Maximaler Abzug vom Primärenergiebedarf durch PV liegt jetzt bei 30%, bzw. 45% mit Batteriespeicher
- Anforderungen für den Mindestanteil von PV bei Berücksichtigung zur Deckung des Wärmebedarfs mit Erneuerbaren Energien errechnet durch das 0,03-fache der Gebäudenutzfläche, geteilt durch die Anzahl der beheizten oder gekühlten Geschosse.