Neu im Gebäudeenergiegesetz (GEG), das am 01. November 2020 in Kraft tritt, ist die Bedeutung des Stroms aus erneuerbaren Energien. Damit sind insbesondere der Photovoltaikanlagen gemeint. Unser erster Text über die neue Rolle der PV im GEG klang sehr optimistisch, fast euphorisch. Denn künftig bekommen Photovoltaikanlagen eine größere Bedeutung beim Neubau von Gebäuden. Doch wie hoch ist der Einfluss der Photovoltaik wirklich? Welche Leistung ist bei großen Gebäuden gefordert und wie viel Einsparung ermöglicht der Einsatz von PV-Anlagen? Diesen Fragen gehen wir in dem folgenden Text nach und beantworten sie anhand eines praktischen Beispiels.
- Das sagt das GEG zum Einsatz von Photovoltaikanlagen
- Veränderungen im Vergleich zu EnEV und EEWärmeG
- So sehen die Anforderungen rechnerisch aus
- Bestimmung der Nennleistung für den GEG Nachweis
- Bedeutung der PV für die Einhaltung der Anforderungen GEG und KfW Effizienzhaus
- Rechenbeispiel aus der Praxis
- Fazit zur Anrechnung von Photovoltaikanlagen im Gebäudeenergiegesetz
1. Das sagt das GEG zum Einsatz von Photovoltaikanlagen
Vieles bleibt im Gebäudeenergiegesetz, im Vergleich zur Energieeinsparverordnung (EnEV) und zum Erneuerbare-Energien Wärmegesetz, unverändert. Die Anrechnung von Strom aus erneuerbaren Energien stellt sich jedoch ganz anders dar als bisher.
Neu ist auch die in § 4 erwähnte Vorbildwirkung von Solarenergie zur Stromerzeugung in Gebäuden der öffentlichen Hand, deren Einsatz zumindest geprüft werden sollte.
Solarstrom für den Mindestanteil der erneuerbaren Energien
Künftig können Planer*innen auch Strom für den vorgeschriebenen Anteil von 15 Prozent zur Deckung des Wärme- und Kälteenergiebedarfs mit erneuerbaren Energien heranziehen. Bei Photovoltaikanlagen gilt dieser Anteil nach § 36 als erfüllt, wenn deren Nennleistung (in kW) mindestens das 0,03-fache der Gebäudenutzfläche, geteilt durch die Anzahl der beheizten (und gekühlten) Geschosse, beträgt. Es ist jedoch keine Nutzung des Stroms für den Wärme- und Kältebedarf vorgeschrieben.
Abzug vom Primärenergiebedarf entsprechend der installierten Nennleistung
Ferner kann, entsprechend der Nennleistung der Photovoltaikanlage, ein Wert vom bereits errechneten Primärenergiebedarf des Gebäudes abgezogen werden. Bisher, in der EnEV, konnten Photovoltaikanlagen den Endenergiebedarf reduzieren. Dieser Wert war in § 5 der EnEV abhängig von Standardwerten aus der Norm und der Fläche des Daches. Er musste monatsweise mit dem elektrischen Endenergiebedarf für die Gebäudetechnik verrechnet werden. Die Summe konnte dann vom Endenergiebedarf abgezogen werden.
Als Voraussetzung für die Anrechnung der Photovoltaikanlage gilt weiterhin nach § 23 Satz 1, dass die Erzeugung in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Gebäude, sowie die Nutzung vorrangig im Gebäude unmittelbar nach Erzeugung oder nach vorübergehender Speicherung erfolgen muss. Nur die überschüssige Strommenge darf in das öffentliche Netz eingespeist werden.
Ist die Anforderung erfüllt, dürfen Planer*innen nach der Ermittlung des Jahres-Primärenergiebedarfs einen Wert abziehen. Dieser beträgt 150 kWh je kW installierter Nennleistung. Zusätzlich dürfen sie 70 Prozent des elektrischen Endenergiebedarfs der Gebäudetechnik abziehen, wenn die Anlagengröße eine Nennleistung in der Höhe des 0,03-fachen der Gebäudenutzfläche geteilt durch die Anzahl der beheizten Geschosse, überschreitet. Es dürfen jedoch höchstens 30 Prozent vom Jahres-Primärenergiebedarf des Referenzgebäudes abgezogen werden.
Kommt ein Batteriespeicher zum Einsatz, dann dürfen 200 kWh je kW installierter Nennleistung vom Primärenergiebedarf abgezogen werden. Den elektrischen Endenergiebedarf der Gebäudetechnik dürfen die Planer*innen dann um 100 Prozent reduzieren, also komplett abziehen. Bedingung ist auch hier, dass die Größe der Anlage eine Nennleistung in der Höhe des 0,03-fachen der Gebäudenutzfläche geteilt durch die Anzahl der beheizten Geschosse, überschreitet. Der Abzug darf bei einer PV-Anlage mit Batteriespeicher jedoch höchstens 45 Prozent vom Jahres-Primärenergiebedarf des Referenzgebäudes betragen.
Beim zusätzlichen Abzug des elektrischen Endenergiebedarfs müsste eigentlich noch eine Umrechnung auf den Primärenergiebedarf erfolgen. Im bereits errechneten Primärenergiebedarf ist der elektrische Endenergiebedarf mit einem Primärenergiefaktor enthalten. Dies wird im Text des GEG jedoch nicht berücksichtigt, daher haben wir im Beispiel unten den elektrischen Endenergiebedarf der Gebäudetechnik vom Primärenergiebedarf abgezogen.
2. Veränderungen im Vergleich zu EnEV und EEWärmeG
Im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG), das bislang für den Anteil der erneuerbaren Energien in neu errichteten Gebäuden zuständig war, durften nur Technologien wie die thermische Solarenergie, feste und flüssige Biomasse oder die Geothermie angerechnet werden. Alternativ waren Ersatzmaßnahmen, wie KWK-Anlagen oder eine verbesserte Energieeffizienz möglich. Eine strombasierte Heiz- und Trinkwassertechnik mit erneuerbaren Energien war im EEWärmeG jedoch nicht vorgesehen.
Die Anrechnung von Strom aus erneuerbaren Energien erfolgte bislang nach § 5 der EnEV. Die Voraussetzungen waren die gleichen wie künftig im GEG. Es durfte jedoch nur der Strom angerechnet werden, der in dem jeweiligen Monat für die Gebäudetechnik, Heizung, Lüftung und Trinkwassererwärmung benötigt wurde. Für die Ermittlung des monatlichen Ertrags, bestimmt nach DIN V 18599–9, wurden Standardwerte für die Nennleistung der Photovoltaikmodule nach DIN V 18599–9: 2011-12 Anhang B, mit Strahlungswerten für den Standort Potsdam aus DIN V 18599–10 herangezogen.
Der monatliche Ertrag, der höchstens dem Bedarf entsprechen darf, wurde aufsummiert und vom Endenergiebedarf abgezogen. Das war ein kompliziertes Verfahren mit Angaben, die nicht der Realität entsprechen. In der Praxis kam die Anrechnung der Photovoltaikanlage jedoch kaum zur Anwendung.
3. So sehen die Anforderungen rechnerisch aus
So weit die sehr komplexe Theorie. Aber interessant sind die konkreten Zahlen, die hinter diesen Formeln und Texten stecken und sich erst durch Beispielrechnungen erschließen.
Erforderliche Nennleistung von Photovoltaikanlagen
Wie hoch ist die erforderliche Nennleistung einer Photovoltaikanlage, um den Pflichtanteil für erneuerbare Energien zu erreichen? Folgende Grafik zeigt die erforderliche Nennleistung in Abhängigkeit von der Nutzfläche und der Anzahl der Geschosse:
Das Diagramm zeigt, je weniger (beheizte und gekühlte) Geschosse das Gebäude hat, umso höher ist die erforderliche Nennleistung. Auf der anderen Seite benötigen große Gebäude mit einer hohen Anzahl an Geschossen eine geringere Nennleistung, um die Anforderungen zu erfüllen. So reichen bei einer Nutzfläche von 3.000 m² und sechs Geschossen bereits ca. 15 kWp aus, während bei drei Geschossen mit der gleichen Grundfläche 30 kWp installiert werden müssen. Für diese Leistung belegen die Module nur eine Fläche von ca. 90, bzw. 180 m².
Reduzierung des Primärenergiebedarfs durch Solarstrom
Die Reduzierung des Primärenergiebedarfs ist im Wesentlichen von der installierten Nennleistung abhängig. In der Grafik oben fehlt noch die Absenkung um den elektrischen Endenergiebedarf von 70 bzw. 100 Prozent, in Abhängigkeit von der installierten Nennleistung und einem eventuell eingeplanten Batteriespeicher.
4. Bestimmung der Nennleistung für den GEG Nachweis
Die Ermittlung des Stromertrags aus PV-Anlagen nach § 5 der Energieeinsparverordnung erfolgte mit einer genormten Nennleistung des Photovoltaikmoduls nach DIN V 18599–9: 2011-12 Anhang B und der belegten Dachfläche. Damit war der errechnete Ertrag unabhängig vom tatsächlichen Ertrag. Da die Leistung der neu installierten Module über die Jahre immer besser geworden ist, wird der reale Stromertrag höher gewesen sein, als ursprünglich berechnet.
Im GEG ist in § 23 nur von der installierten Nennleistung die Rede, ohne eine weitere Definition. Eine Ermittlung des Stromertrags mit Standardwerten wird es dann nicht mehr sein, da kein Bezug zu einer Norm hergestellt wird.
Es ist eher davon auszugehen, dass der reale Wert der Nennleistung für die Photovoltaikmodule gemeint ist, denn im Text steht “installierte Nennleistung”, was auf die tatsächlich installierte Leistung schließen lässt. Das wäre ein deutlicher Fortschritt zur bisherigen Praxis.
5. Bedeutung der PV für die Einhaltung der Anforderungen GEG und KfW Effizienzhaus
Interessant ist nun, wie sich die Anrechnung des Stroms aus einer Photovoltaikanlage auf den geforderten Jahres-Primärenergiebedarf auswirkt. Immerhin kann sich der errechnete Primärenergiebedarf durch eine große PV-Anlage theoretisch um bis zu 30, bzw. 45 Prozent vom Jahres-Primärenergiebedarf des Referenzgebäudes reduzieren.
Neubauten müssen mindestens die energetischen Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes einhalten. Diese haben sich, im Vergleich zur Energieeinsparverordnung nicht verändert. Der errechnete Jahres-Primärenergiebedarf darf maximal 75 Prozent des Primärenergiebedarfs vom Referenzgebäude nach EnEV 2009 betragen. Demnach würde es theoretisch ausreichen, nur nach EnEV 2009 zu bauen und eine möglichst große PV-Anlage zu installieren, um die Anforderung des GEG einzuhalten. Für das Ziel der Reduzierung von CO2-Emissionen wäre dieser Effekt jedoch kontraproduktiv.
Eine ähnliche Rechnung lässt sich auch für die Effizienzhaus-Standards der KfW durchführen, jedoch ohne Berücksichtigung der Anforderung an den spezifischen Transmissionswärmeverlust. So darf der Jahres-Primärenergiebedarf eines Effizienzhaus 55 maximal 55 Prozent des Primärenergiebedarfs des Referenzgebäudes betragen. Dann reicht für diesen Standard theoretisch ein Bau nach GEG-Standard (75 % des Referenzgebäudes) plus PV-Anlage aus. Von den erreichten 75 Prozent können bis zu weitere 30 Prozent abgezogen werden, also 45 Prozent des Referenzgebäudes. Damit ist die Anforderung für den Primärenergiebedarf erfüllt, nicht jedoch für den spezifischen Transmissionswärmeverlust. Dieser darf im Effizienzhaus 55 maximal 70 Prozent der Werte des Referenzgebäudes betragen.
Beim Effizienzhaus 40 ist die Berechnung jedoch nicht so einfach. Mit einem Bau nach GEG und einem maximalen Abzug für die PV-Anlage werden nur 45 Prozent des Referenzgebäudes erreicht. Erlaubt sind jedoch nur maximal 40 Prozent. Daher dürfte der Bau maximal 70 Prozent des Primärenergiebedarfs vom Referenzgebäude erreichen. Hinzu kommt noch die Anforderung an den Transmissionswärmeverlust, die nicht berücksichtigt wird.
Rechnet man das gleiche Beispiel mit PV-Anlage und Batteriespeicher, also mit einem Abzug von maximal 45 Prozent, dann würde ein Gebäude nach GEG die Anforderung für das Effizienzhaus 40 und 40 plus erfüllen. Es ist jedoch nicht der maximal spezifische Transmissionswärmeverlust berücksichtigt, der nur 55 Prozent des Wertes vom Referenzgebäude betragen.
Diese Rechnungen sind nur theoretische Betrachtungen. Sie berücksichtigen nicht, ob die Gebäude den maximalen Abzug für die PV-Anlage erreichen können. Aber sie zeigen, was dieser Abzug für den Effizienzhaus-Standard bedeuten kann.
6. Rechenbeispiel aus der Praxis
Da die bisherigen Betrachtungen immer noch sehr theoretisch waren, folgt nun ein praktisches Beispiel, um die Anforderungen des GEGs anschaulicher darzustellen. Die Daten stammen von einem durch SOLARIMO realisiertes Mieterstrom-Projekt. Das Gebäude ist ein Plattenbau, der 2017 saniert wurde.
Nennleistung der PV-Anlage für den Pflichtanteil erneuerbarer Energien
Das Gebäude hat eine Nutzfläche A(N) von 2.750 m² und 5 Geschosse. Dies bedeutet nach § 36, dass eine Nennleistung von 16,5 kWp ausreicht, um den erforderlichen Anteil des Wärme- und Kälteenergiebedarfs mit erneuerbaren Energien zu decken. Auf dem Dach dieses Gebäudes war jedoch Platz für eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 38 kWp — mehr als das Doppelte der erforderlichen Leistung.
Auch wenn die Mindestgröße mit einer kleineren PV-Anlage erreicht wird, kann es sinnvoll sein eine deutlich größere Nennleistung zu installieren. Je mehr Solarstrom auf dem Dach erzeugt wird, umso mehr Möglichkeiten ergeben sich. Während die kleinere Anlage vielleicht nur für den Strombedarf der Haustechnik ausreicht, können große Anlagen auch die Haushalte über einen Mieterstrom-Anbieter mit günstigem und sauberem Strom versorgen. Es bieten sich dadurch neue Möglichkeiten an, die über die Bedeutung im Gebäudeenergiegesetz hinausgehen.
Bedeutung der PV-Anlage für den Jahres-Primärenergiebedarf
Interessant ist auch zu sehen, wie sich die Photovoltaikanlage auf den Jahres-Primärenergiebedarf von Gebäuden auswirkt. Auf den ersten Blick scheint es möglich zu sein, den Primärenergiebedarf mit der Hilfe des Solarstroms deutlich zu senken.
Ausgangsdaten des o.g. Gebäudes im Beispiel:
- errechneter Primärenergiebedarf 236.663 kWh/a
- elektrischer Endenergiebedarf: 40.058 kWh/a (elektr. Trinkwassererwärmung)
Abzug vom Primärenergiebedarf ohne Batteriespeicher
Nennleistung |
16,5 kW (Mindestwert) |
38 kW (real installiert) |
Abzug vom Primärenergiebedarf ohne Batteriespeicher |
2.475 kW/a |
5.700 kWh/a |
el. Endenergiebedarf x 0,7 |
28.041 kWh/a |
28.041 kWh/a |
resultierender Primärenergiebedarf |
206.147 kWh/a |
202.922 kWh/a |
Einsparung durch die PV-Anlage |
12,9 % |
14,3 % |
Abzug vom Primärenergiebedarf mit Batteriespeicher
Nennleistung |
16,5 kW (Mindestwert) |
38 kW (real installiert) |
Abzug vom Primärenergiebedarf mit Batteriespeicher |
3.300 kW/a |
7.600 kWh/a |
el. Endenergiebedarf x 1,0 |
40.058 kWh/a |
40.058 kWh/a |
resultierender Primärenergiebedarf |
193.305 kWh/a |
189.005 kWh/a |
Einsparung durch die PV-Anlage |
18,3 % |
20,1 % |
7. Fazit zur Anrechnung von Photovoltaikanlagen im Gebäudeenergiegesetz
Das Gebäudeenergiegesetz gibt Photovoltaikanlagen durch die geänderte Anrechnung eine größere Bedeutung in der Planung von Neubauten. Ihr Beitrag zur Reduzierung des Primärenergiebedarfs ist dadurch höher als noch in der EnEV. Daher ist zu erwarten, dass sie frühzeitiger in die Planung einbezogen werden als bislang. Der Beitrag der PV-Anlage sollte jedoch nicht auf Kosten der Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes gehen. Nur so ist die Anrechnung wirklich sinnvoll für das Klima.
Für zukunftsfähige Gebäude ist es wichtig, die Photovoltaikanlage nicht nur für die Anrechnung im GEG zu betrachten. Während der Mindestwert vielleicht für die Deckung des Strombedarfs der Anlagentechnik reicht, könnte ein voll belegtes Dach zusätzlich die Haushalte mit Strom versorgen. So bieten sich für die Photovoltaikanlage im Geschosswohnungsbau neue Einsatzmöglichkeiten an, wie Mieterstrom, Versorgung von Wärmepumpen und von Ladesäulen — zum Nutzen von Mieter*innen und Eigentümer*innen.